EIN LEBEN/VON VINCENT VAN GOGH
AUS DEM FRANZÖSISCHEN ÜBERSETZT VON K. K. EBERLEIN
ist nun etwa fünfundzwanzig Jahre her, daß ein Mann von Gran-
ville nach England fuhr.
Nach des Vaters Tode machten sich seine Brüder das Erbe streitig
und versuchten zutnal ihn um sein Teil zu bringen. Des Streitens müde
überließ er jenen sein Teil und kam arm nach London, wo er die Stelle
des französischen Lehrers an einer Schule erhielt.
Dreißigjährig heiratete er eine Engländerin, die bedeutend jünger war
als er. Sie hatten ein Kind, eine Tochter.
Nach sieben oder acht Jahren der Ehe verschlimmerte sich die Krank-
heit seiner Brust. Einer seiner Freunde frug ihn deshalb, ob er noch
einen Wunsch habe, worauf er gestand, daß er vor dem Tode gerne noch
einmal die Heimat sähe.
Sein Freund zahlte ihm diese Reise. Er reiste also, todkrank, mit seiner
Frau und seiner sechsjährigen Tochter nach Granville. Dort mietete er
eine Kammer bei armen Leuten am Meere. Abends ließ er sich zum
Strande tragen und verfolgte, wie die Sonne im Meere versank.
Eines Abends, da man ihn dem Tode nahe sah, beriet man seine Frau,
daß es an der Zeit wäre den Priester zu rufen, der ihm die letzte Ölung
geben solle.
Die Frau, eine Protestantin, war dagegen. Er aber sagte: „Laß sie gehn“. Der
Priester kam und der Kranke beichtete vor allen Leuten des Hauses. Alle die
Umstehenden weinten, als sie dies Leben hörten, gerecht und rein wie es war.
Danach wünschte er, daß man ihn mit seinem Weib alleine lasse-, alleine
umarmte er sie und sprach: „Ich habe dich geliebt“. Dann starb er .. .
Er liebte Frankreich, vor allem die Bretagne, er liebte die Natur und
erkannte Gott.
Darum erzählte ich euch das Leben dieses Fremdlings der Erde, der
dennoch einer ihrer wahren Bürger war.
Vincent van Gogh.
AUS DEM FRANZÖSISCHEN ÜBERSETZT VON K. K. EBERLEIN
ist nun etwa fünfundzwanzig Jahre her, daß ein Mann von Gran-
ville nach England fuhr.
Nach des Vaters Tode machten sich seine Brüder das Erbe streitig
und versuchten zutnal ihn um sein Teil zu bringen. Des Streitens müde
überließ er jenen sein Teil und kam arm nach London, wo er die Stelle
des französischen Lehrers an einer Schule erhielt.
Dreißigjährig heiratete er eine Engländerin, die bedeutend jünger war
als er. Sie hatten ein Kind, eine Tochter.
Nach sieben oder acht Jahren der Ehe verschlimmerte sich die Krank-
heit seiner Brust. Einer seiner Freunde frug ihn deshalb, ob er noch
einen Wunsch habe, worauf er gestand, daß er vor dem Tode gerne noch
einmal die Heimat sähe.
Sein Freund zahlte ihm diese Reise. Er reiste also, todkrank, mit seiner
Frau und seiner sechsjährigen Tochter nach Granville. Dort mietete er
eine Kammer bei armen Leuten am Meere. Abends ließ er sich zum
Strande tragen und verfolgte, wie die Sonne im Meere versank.
Eines Abends, da man ihn dem Tode nahe sah, beriet man seine Frau,
daß es an der Zeit wäre den Priester zu rufen, der ihm die letzte Ölung
geben solle.
Die Frau, eine Protestantin, war dagegen. Er aber sagte: „Laß sie gehn“. Der
Priester kam und der Kranke beichtete vor allen Leuten des Hauses. Alle die
Umstehenden weinten, als sie dies Leben hörten, gerecht und rein wie es war.
Danach wünschte er, daß man ihn mit seinem Weib alleine lasse-, alleine
umarmte er sie und sprach: „Ich habe dich geliebt“. Dann starb er .. .
Er liebte Frankreich, vor allem die Bretagne, er liebte die Natur und
erkannte Gott.
Darum erzählte ich euch das Leben dieses Fremdlings der Erde, der
dennoch einer ihrer wahren Bürger war.
Vincent van Gogh.