OLUF BRAREN/DER MALER VON FÖHR
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ist um die Gestalten gleich einem Abglanz der
hellen Ferneluft, in der die Dinge und Menschen
der Insel stehen. Unmittelbar aus Wirklichkeits-
anschauung gebärt sich hier eine malerische Form.
Keine Lehre, kein Vorbild steht zwischen Auge
und Darstellung. So fehlten Verwandelung, Ver-
zauberung, diese hohen Pflichten, die übererbte
große Kunst sonst alle Darstellung auferlegt; aber
fern bleibt auch alle Fälschung, die aus dem Wissen
um fremde hohe Bildform sich der Malerei immer
sonst einmischt. Diese Werke vereinen in schlich-
tem Wirklichkeitsgehorsam hohe und meist sich
fremde Werte: sie sind in seltener Weise zu-
gleich wahrhaft und schmuckhaft, sachgenau und
farbleuchtend. So malt der Künstler Kleinbild-
nisse seiner selbst und der Brüder, Anhänger-
bilder, wie die Frauen sie als höchsten Zierat
am silbernen Brustkettenwerke tragen: sie ge-
hören zu den lebendigsten Miniaturporträts der
Zeit. Sein Hauptwerk wird die Darstellung einer
Trauung: die schlank-stolze Braut in der bunten
Blumenkrone mit zinnoberfarb leuchtenden
Trachtärmeln die ziervolle Mitte der starr feier-
lichen Handlung im blaugetäfelten Zimmer. Stäbe
teilen das Bild in vier Felder: von außen, durch
die Fensterscheiben hindurch, sind wir mit dem
Maler Zuschauer des Vorgangs, wie Föhrer Sitte
es erlaubte und gebot. Die vollendetste Schöpfung,
das Bildnis einer Frau aus Hedehusum mit zwei
Kindern: die drei Gestalten meisterhaft zur Gruppe
zusammengeschlossen, die Farbigkeit ein feinstes
Einheitsgefüge der vielbunten Stücke der Tracht.
Das Bild ist eine Urkunde zum Leben des Künst-
lers, die von Leidenschaft, Glück, Fehl und Leid
berichtet. Der Liebesatem der Insel ist auch im
Schicksal ihres Malers mächtig. Eine frühe, nicht
völlig freiwillige Ehe ward gebrochen durch ein
Liebesbündnis mit einem klugen und starken
Weibe, einst Schülerin des jungen Lehrers, dann
Mutter seiner beiden Kinder. Diese Nebenehe
brachte ihn um sein Schulamt. Das Wohlwollen
des Geistlichen seiner Gemeinde verschaffte ihm
die Gehilfenstelle bei dem greisen Lehrer eines
Nachbardorfes. Hier hat er in Armut und Enge
seinen Lebenstag geschlossen.
Seine Kunst aber hat in diesen späteren Mannes-
jahren eine neue Form angenommen: der innig
treue Abschilderer des Menschentums seiner Nähe
wird zum Ersinner schönheitsvoller Umrisse er-
dachter Gestalten. Die Frauen der Insel weichen
Traumgebilden, die um griechischen Formadels
und südlicher Linienreinheit willen leben.
Welche Beeinflussungen diese Wendung seiner
Kunst herbeigeführt haben, wissen wir nicht. Sie
ist begreiflich aus der Tatsache, daß Holstein und
Schleswig, dänische Provinzen, damals ganz unter
klassizistischem Gestirn standen. Kopenhagen war
die Hochburg des antiken Formgeschmacks im
Norden, die Lernstätte von Carstens, Runge und
Thorwaldsen. Südlich aber hatte Wilhelm Tisch-
bein in Eutin seinen griechischen Geisteshof.
Braren soll Tischbein einmal besucht haben, um
ihm einen von ihm vorgebildeten Schüler zuzu-
führen. Diese flüchtige Berührung, die spät statt-
fand, kann nicht der Quell von Brarens neuer
Anschauung sein. Er ist auch hier Selbstlerner.
Vielleicht, daß der eben auf blühende Steindruck
Nachbildungen von Werken der Antike und der
Renaissance auf die Insel brachte. Das weich
bauchige Flächenwesen, das die Lithographie als
Eigentümlichkeit hat, scheint manchem Entwürfe
Brarens Anhalt gewesen zu sein. Wieder aber
gelingen dem Künstler auch in dieser fremd-
artigen, ihm aus Fernen zuschwebenden An-
schauungsart tief seelenhafte Gebilde. Ein blondes
Mädchenbildnis gilt als Tochter Tischbeins. Im
lebendig scharfen Klarblick liegt Persönlichkeit
und Anmut. Der Faltenschlag des Gewandes,
gewellt wie das Farbenband eines Achatsteins,
ist reliefmäßig und ornamental gestaltet: dem
Zierwert der heimischen Frauentracht sucht der
Zeichner einen Ersatz aus antikem Kunstform-
leben. Die Haarwellen schwingen in betont wohl-
laufenden Linienformen. Nachhall Eutiner Tage
könnte die Darstellung eines römischen Mädchens
sein. Mäandergesäumtes veilchenfarbes Kleid, gelbes
blaustreifiges Kopftuch: solche Verkleidung in
halb griechisch-antike, halb neapolitanisch-mo-
derne Tracht galt dort als Ausdruck der Wahl-
verwandtschaft mit klassischem Süden.
Das Meisterwerk der klassizistischen Entwürfe
Brarens ist das Gestaltenpaar zweier Kinder. Ein
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ist um die Gestalten gleich einem Abglanz der
hellen Ferneluft, in der die Dinge und Menschen
der Insel stehen. Unmittelbar aus Wirklichkeits-
anschauung gebärt sich hier eine malerische Form.
Keine Lehre, kein Vorbild steht zwischen Auge
und Darstellung. So fehlten Verwandelung, Ver-
zauberung, diese hohen Pflichten, die übererbte
große Kunst sonst alle Darstellung auferlegt; aber
fern bleibt auch alle Fälschung, die aus dem Wissen
um fremde hohe Bildform sich der Malerei immer
sonst einmischt. Diese Werke vereinen in schlich-
tem Wirklichkeitsgehorsam hohe und meist sich
fremde Werte: sie sind in seltener Weise zu-
gleich wahrhaft und schmuckhaft, sachgenau und
farbleuchtend. So malt der Künstler Kleinbild-
nisse seiner selbst und der Brüder, Anhänger-
bilder, wie die Frauen sie als höchsten Zierat
am silbernen Brustkettenwerke tragen: sie ge-
hören zu den lebendigsten Miniaturporträts der
Zeit. Sein Hauptwerk wird die Darstellung einer
Trauung: die schlank-stolze Braut in der bunten
Blumenkrone mit zinnoberfarb leuchtenden
Trachtärmeln die ziervolle Mitte der starr feier-
lichen Handlung im blaugetäfelten Zimmer. Stäbe
teilen das Bild in vier Felder: von außen, durch
die Fensterscheiben hindurch, sind wir mit dem
Maler Zuschauer des Vorgangs, wie Föhrer Sitte
es erlaubte und gebot. Die vollendetste Schöpfung,
das Bildnis einer Frau aus Hedehusum mit zwei
Kindern: die drei Gestalten meisterhaft zur Gruppe
zusammengeschlossen, die Farbigkeit ein feinstes
Einheitsgefüge der vielbunten Stücke der Tracht.
Das Bild ist eine Urkunde zum Leben des Künst-
lers, die von Leidenschaft, Glück, Fehl und Leid
berichtet. Der Liebesatem der Insel ist auch im
Schicksal ihres Malers mächtig. Eine frühe, nicht
völlig freiwillige Ehe ward gebrochen durch ein
Liebesbündnis mit einem klugen und starken
Weibe, einst Schülerin des jungen Lehrers, dann
Mutter seiner beiden Kinder. Diese Nebenehe
brachte ihn um sein Schulamt. Das Wohlwollen
des Geistlichen seiner Gemeinde verschaffte ihm
die Gehilfenstelle bei dem greisen Lehrer eines
Nachbardorfes. Hier hat er in Armut und Enge
seinen Lebenstag geschlossen.
Seine Kunst aber hat in diesen späteren Mannes-
jahren eine neue Form angenommen: der innig
treue Abschilderer des Menschentums seiner Nähe
wird zum Ersinner schönheitsvoller Umrisse er-
dachter Gestalten. Die Frauen der Insel weichen
Traumgebilden, die um griechischen Formadels
und südlicher Linienreinheit willen leben.
Welche Beeinflussungen diese Wendung seiner
Kunst herbeigeführt haben, wissen wir nicht. Sie
ist begreiflich aus der Tatsache, daß Holstein und
Schleswig, dänische Provinzen, damals ganz unter
klassizistischem Gestirn standen. Kopenhagen war
die Hochburg des antiken Formgeschmacks im
Norden, die Lernstätte von Carstens, Runge und
Thorwaldsen. Südlich aber hatte Wilhelm Tisch-
bein in Eutin seinen griechischen Geisteshof.
Braren soll Tischbein einmal besucht haben, um
ihm einen von ihm vorgebildeten Schüler zuzu-
führen. Diese flüchtige Berührung, die spät statt-
fand, kann nicht der Quell von Brarens neuer
Anschauung sein. Er ist auch hier Selbstlerner.
Vielleicht, daß der eben auf blühende Steindruck
Nachbildungen von Werken der Antike und der
Renaissance auf die Insel brachte. Das weich
bauchige Flächenwesen, das die Lithographie als
Eigentümlichkeit hat, scheint manchem Entwürfe
Brarens Anhalt gewesen zu sein. Wieder aber
gelingen dem Künstler auch in dieser fremd-
artigen, ihm aus Fernen zuschwebenden An-
schauungsart tief seelenhafte Gebilde. Ein blondes
Mädchenbildnis gilt als Tochter Tischbeins. Im
lebendig scharfen Klarblick liegt Persönlichkeit
und Anmut. Der Faltenschlag des Gewandes,
gewellt wie das Farbenband eines Achatsteins,
ist reliefmäßig und ornamental gestaltet: dem
Zierwert der heimischen Frauentracht sucht der
Zeichner einen Ersatz aus antikem Kunstform-
leben. Die Haarwellen schwingen in betont wohl-
laufenden Linienformen. Nachhall Eutiner Tage
könnte die Darstellung eines römischen Mädchens
sein. Mäandergesäumtes veilchenfarbes Kleid, gelbes
blaustreifiges Kopftuch: solche Verkleidung in
halb griechisch-antike, halb neapolitanisch-mo-
derne Tracht galt dort als Ausdruck der Wahl-
verwandtschaft mit klassischem Süden.
Das Meisterwerk der klassizistischen Entwürfe
Brarens ist das Gestaltenpaar zweier Kinder. Ein