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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0167
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Nur im Erdgeschoss, welches eine offene Vorhalle von drei Arcaden bildet, sind sie in ihrer Vorderssucht
verbunden. Im ersten Stock tritt das Mittelschiff mit Rose um die halbe Tiefe der Thürme zurück. Erst
im dritten Geschoss ragen sie ganz frei empor. Durch diese Unterschiede wird eine bedeutende Wirkung
erzielt. Wenn auch in späterem Detail, gehört der Gedanke der Composition mit den Halbsäulen,
rhythmischen Traveen, Arcaden und Nischen dem Geiste der Hoch-Renaissance an.
Za«« 1028) theilt eine Reihe von Angaben über die aufeinander folgenden Meister mit, die wir
hier folgen lassen: Meric Boldoytre, von 1536—47 bezeichnet als »meßre de lobro« (wohl Vater von Pierre
Boldere). —■ Zwischen 1530—67 arbeitet Jean de Beaujeau an der Kathedrale und wird 1547 Architekt,
Nachfolger von Boldoytre.
Nach der Inschrift am Sockel . JO. D. BEAVJEV ARCH1TECTE FACJE - EN XPI 1560 .
hat man wohl recht anzunehmen, er sei der Erfinder der Fagade.
Pierre Boldere oder Boldotre, maitre magon et architecte, ist Nachfolger von Pierre (?) de Beaujeu.
Er war im Amt im Jahr 1537- Jacques Belange stirbt 159S- Man glaubt, er sei Nachfolger von Boldere
gewesen. 1599—1609 baut Souffron (Souffroni) die neue Apsis und Altäre. 1629 geht Jean Cailhon
von Paris nach Auch, um die Leitung der Arbeiten zu übernehmen.
Zu erwähnen sind ferner: die 1551 begonnene, 1556 vollendete ehemalige Capelle der Goldschmiede
in Paris, Philibert de l’Orme zugeschrieben, die von Frangois de la Flasche und Jean Marchand erbaut
worden sein soll 1029).
Nach Palußre wäre durch die Reinheit der Linien der Chor von Notre-Dame in La Ferte-Milon
(Aisne) des Philibert de VOrme, dem er zugeschrieben wird, würdig. In Dieppe soll die heutige prote-
stantische Kirche aus der Zeit Heinrich. II. oder Heinrich III. slammen. Das rechte Kreuzschiff von
St.-Pierre zu Dreux dürfte etwa aus der Zeit von 1570 slammen. Endlich scheint die Fagade der Kirche
zu Granville sowie die der Barfüsser zu Dole in der Freigrafschaft interessante Anordnungen zu bieten.

5) Kirchen der Bretagne.
Einige Denkmäler der Bretagne, die* eine ziemlich unabhängige und eigen-
thümliche nationale Gruppe bilden, seien hier erwähnt.
In der Bretagne hat, wie Paluftre richtig bemerkt, die Gewohnheit der Wall-
fahrten in der Kirchenarchitektur manches Eigenthümliche entwickelt. Man findet
vielfach einen geraden Chorabschluss, wenig Seitencapellen, drei etwa gleich breite
und gleich hohe Schiffe, durch dünne Säulen getrennt, mit reichen Holzgewölben,
unter einem Dache. An der Westseite ist oft ein schlanker Thurm. An der Süd-
seite, häufig vortretend, ein reiches Portal und eine monumentale Sakristei. Im an-
stossenden Kirchhofe befindet sich eine Grabcapelle, ein oder mehrere Beinhäuser
— die zuweilen »Reliquaire« genannt werden und nach dem Vorbilde von Reliquien-
hasten gebildet sind — ferner ein Calvarienberg und ein grosser Brunnen. Zu
diesen reichen Gruppen von Gebäuden tritt man häufig durch triumphbogenartigeThore,
wie in Saint-Thegonnec und Sizun.
Nicht ohne Geschick componirt und anziehend ist die Fagade der Kirche von Guimiliau bei Morlaix.
Hier herrscht nur als einziges Motiv ein antiker Giebel auf korinthischen cannelirten 3/4-Säulen,
der das reich abgeslufte Rundbogen-Portal mit grosser Schlussstein-Console umrahmt. Auf diesen
ssachen Giebel folgt ein Gebälk und, nicht störend, der sleilere Dachgiebel, in dessen Feld ein
Tabernakel mit Segmentgiebel und Statue sleht. Zu beiden Seiten der Fagade sind slarke, diagonal
slehende Strebepfeiler, mehr im Geisle der Fialen in Como und an der Certosa von Pavia gegliedert, als
sonst in Frankreich üblich ist. Offene Tabernakel mit Kuppel und Laterne bekrönen dieselben, während
ein dritter kräftiger, mit doppelter Laterne, den Giebel abschliesst und dem Ganzen eine wohlthuende
Einheit verleiht.
Von anziehender Erscheinung ist die Seitenfront der Capelle auf dem Kirchhof neben der Kirche
von Thegonnec, mit zwei Stockwerken von classischer Strenge. Unten slehen Säulen vor den Pfeilern
der Fenster, deren Reihe eine Arcatur bildet. Oben sind statt der Fenster Nischen mit Muscheln. In

673-
Wallfahrts-
Kirchen.

1028) Siehe sein: Dictionnaire des Architectes frangais. a. a. O., unter den Namen der verschiedenen Meister.
1029) Lance, A., a. a. O., Bd. I, S. 4 u. 114.
 
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