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674-
Stil-
Charakter.
675-
Calvarien.
676.
^Einleitendes.
der Mitte, geschickt verbunden durch beide Stockwerke, liegt das Portal. An den Enden laufen die Glie-
derungen an den diagonal geheilten kräftigen Strebepfeilern herum und diese sind durch geeignete Fialen-
Tabernakel geschickt abgeschlossen. Das Ganze zeigt eine eigentümliche Verbindung von classischer
Ruhe und Reichthum mit etwas wilder und derber Phantasie.
Ferner zu erwähnen ist die Capelle in La Roche1030) mit quadratischem, zur Hälfte vorspringendem
Mittelthurm, mit zwei niedrigen Geschossen über der gesnnsartig wirkenden Balustrade und einer schlanken,
von Giebeln und Fialen begleiteten Pyramide, das Ganze von glücklichem Umrisse.
Zum Theil bedingt durch die bei Verwendung des Granits nothwendig gewordene
Vereinfachung der Formen, zum Theil in Folge von Nationaleigenthümlichkeiten der
Bretagne haben gewisse Glieder, im Stil Franz I. gedacht, ein an Hindu-Architektur
erinnerndes Aussehen erhalten, z. B. gewisse fialenartig aufgebaute, an die Kirchen-
mauer gelehnte Strebepfeiler in Thegonnec, ebenso ein Weihbecken aussen am Bein-
haus, die Fialen an den Giebeln des letzteren. An anderen Stellen daselbst glaubt man
ein römisches Denkmal aus der letzten Zeit des Verfalles vor sich zu haben.
Zu den Eigenthümlichkeiten der kirchlichen Architektur kommen hier noch die
Calvarien, die sich auf den Kirchhöfen neben der Kirche erheben. Die strenge Ein-
fachheit des bloss kräftig profilirten Unterbaues slicht nur mit dem Reichthum von
Figuren, die in Hochrelief oder frei in ein oder zwei Reihen übereinander, den Fuss
des Kreuzes umgeben, ab und macht allein deren Gewühl erträglich. Das Kreuz, zu-
weilen als Baumstamm oder Säule mit abgekippten Aesten gebildet, nicht roh realistisch,
sondern wie Bramante es in Mailand gethan. Aus dem Stamm wachsen, geschickt
profilirt, gebogene Consolen in einer oder zwei Höhen heraus, um die Figuren,
welche näher am Crucifix slehen, aufzunehmen. In Thegonnec haben die Kreuze
der Schächer je ihre besondere glatte, etwas niedrigere Säule erhalten.
Der Calvarienberg von Guimiliau ist achteckig, von vier durch Bögen mit dem
Kern verbundenen Pfeilern begleitet.
Paluftre giebt für die wichtigeren dieser Gebäude folgende Daten, die wir nicht zu controlliren im
Stande sind: Sizun, 1588; Pencran, 1594; La Martyre, 1629; Ploudry, 1635; La Roche Maurice, 1640;
Guimiliau, 1648; Lampoul, 1667; das von uns beschriebene schönste, zu Thegonnec, scheint er in die
Zeit Heinrich III. zu setzen.
d) Zeitalter Heinrich IV., Uebergangsphase und Beginn der neuen Periode
(1595—1624).
Von dem Zeitalter Heinrich IV., wie wir es definirt haben1031), ist es die
Uebergangsphase von 1595 —1625, die hier in Betracht kommt. Während derselben
sehen wir die gothische Gliederungsweise in ihre letzten Formen verlaufen und ver-
schwinden und die neue Periode fertig auftreten.
1) Charakter der neuen Periode.
Am Eingang der zweiten Periode der Renaissance richtet sich die Front von
St.-Gervais zu Paris vor uns auf. Bereits im Jahre ihrer Vollendung hält man
keine andere in Frankreich und Italien mit ihr vergleichbar. Das ganze XVII. Jahr-
hundert theilt die Bewunderung und im folgenden ist noch Voltaire voll derselben
Begeisterung.
An der Fa^ade von St.-Etienne-du-Mont zu Paris nimmt das officielle Frank-
reich der Renaissance Abschied von der Gothik. Es war der letzte Versuch gewesen,
1030) £3 giebt drei La Roche in der Bretagne. Abbildung bei Nodier u. Taylor, a. a. O., Voi. Bretagne II. I.
1031) Siehe Art. 211, S. 199.
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Stil-
Charakter.
675-
Calvarien.
676.
^Einleitendes.
der Mitte, geschickt verbunden durch beide Stockwerke, liegt das Portal. An den Enden laufen die Glie-
derungen an den diagonal geheilten kräftigen Strebepfeilern herum und diese sind durch geeignete Fialen-
Tabernakel geschickt abgeschlossen. Das Ganze zeigt eine eigentümliche Verbindung von classischer
Ruhe und Reichthum mit etwas wilder und derber Phantasie.
Ferner zu erwähnen ist die Capelle in La Roche1030) mit quadratischem, zur Hälfte vorspringendem
Mittelthurm, mit zwei niedrigen Geschossen über der gesnnsartig wirkenden Balustrade und einer schlanken,
von Giebeln und Fialen begleiteten Pyramide, das Ganze von glücklichem Umrisse.
Zum Theil bedingt durch die bei Verwendung des Granits nothwendig gewordene
Vereinfachung der Formen, zum Theil in Folge von Nationaleigenthümlichkeiten der
Bretagne haben gewisse Glieder, im Stil Franz I. gedacht, ein an Hindu-Architektur
erinnerndes Aussehen erhalten, z. B. gewisse fialenartig aufgebaute, an die Kirchen-
mauer gelehnte Strebepfeiler in Thegonnec, ebenso ein Weihbecken aussen am Bein-
haus, die Fialen an den Giebeln des letzteren. An anderen Stellen daselbst glaubt man
ein römisches Denkmal aus der letzten Zeit des Verfalles vor sich zu haben.
Zu den Eigenthümlichkeiten der kirchlichen Architektur kommen hier noch die
Calvarien, die sich auf den Kirchhöfen neben der Kirche erheben. Die strenge Ein-
fachheit des bloss kräftig profilirten Unterbaues slicht nur mit dem Reichthum von
Figuren, die in Hochrelief oder frei in ein oder zwei Reihen übereinander, den Fuss
des Kreuzes umgeben, ab und macht allein deren Gewühl erträglich. Das Kreuz, zu-
weilen als Baumstamm oder Säule mit abgekippten Aesten gebildet, nicht roh realistisch,
sondern wie Bramante es in Mailand gethan. Aus dem Stamm wachsen, geschickt
profilirt, gebogene Consolen in einer oder zwei Höhen heraus, um die Figuren,
welche näher am Crucifix slehen, aufzunehmen. In Thegonnec haben die Kreuze
der Schächer je ihre besondere glatte, etwas niedrigere Säule erhalten.
Der Calvarienberg von Guimiliau ist achteckig, von vier durch Bögen mit dem
Kern verbundenen Pfeilern begleitet.
Paluftre giebt für die wichtigeren dieser Gebäude folgende Daten, die wir nicht zu controlliren im
Stande sind: Sizun, 1588; Pencran, 1594; La Martyre, 1629; Ploudry, 1635; La Roche Maurice, 1640;
Guimiliau, 1648; Lampoul, 1667; das von uns beschriebene schönste, zu Thegonnec, scheint er in die
Zeit Heinrich III. zu setzen.
d) Zeitalter Heinrich IV., Uebergangsphase und Beginn der neuen Periode
(1595—1624).
Von dem Zeitalter Heinrich IV., wie wir es definirt haben1031), ist es die
Uebergangsphase von 1595 —1625, die hier in Betracht kommt. Während derselben
sehen wir die gothische Gliederungsweise in ihre letzten Formen verlaufen und ver-
schwinden und die neue Periode fertig auftreten.
1) Charakter der neuen Periode.
Am Eingang der zweiten Periode der Renaissance richtet sich die Front von
St.-Gervais zu Paris vor uns auf. Bereits im Jahre ihrer Vollendung hält man
keine andere in Frankreich und Italien mit ihr vergleichbar. Das ganze XVII. Jahr-
hundert theilt die Bewunderung und im folgenden ist noch Voltaire voll derselben
Begeisterung.
An der Fa^ade von St.-Etienne-du-Mont zu Paris nimmt das officielle Frank-
reich der Renaissance Abschied von der Gothik. Es war der letzte Versuch gewesen,
1030) £3 giebt drei La Roche in der Bretagne. Abbildung bei Nodier u. Taylor, a. a. O., Voi. Bretagne II. I.
1031) Siehe Art. 211, S. 199.