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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0298
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6i6

857.
Grabmal
Ph. de
Commynes.

Gehalt bezog 1273), so fragt man sich, ob er nicht einen gewissen Einssuss direct
oder indirect auch auf die anderen beiden Grabmäler ausgeübt hat. Jedenfalls war
die Profilirung seines Grabmals in St.-Denis viel besser als jene am Grabmal zu
Nantes.
2) Aedicula und Sacellum-Typus.
Von der sehr interessanten Grabcapelle, die der berühmte Geschichtsschreiber
Ph. de Commynes in der Abteikirche der Grands-Auguflins für sich errichten liess,
kann man sich nach den im Louvre und in der Ecole des Beaux-Arts zerstreuten
Fragmenten selbst mit Hülfe der Abbildungen Millin keine ganz vollständige
Vorstellung machen 12 75). Ich glaube, die Reste von zwölf Pilasterpfeilern feststellen
zu können, ferner zwei Halbkreisgiebel, wohl sür die beiden Schmalseiten. Der bei
Millin abgebildete S-förmige Giebel dürfte die Mitte der Langseite gebildet haben.
In diesem Sacellum befand sich der Sarkophag, aus dem der Obertheil zweier Bet-
stühle hervorkam, hinter welchen die obere Hälfte der polychromen lebensgrossen
Bildnisse, Figuren Commynes und seiner Frau, hervorragten. Einige der Inter-
columnien waren unten durch eine Brüstungsplatte geschlossen.
In dem einen Tympanon bilden lehr schöne Kränze einen Halbkreis von Rundmedaillons nach mai-
ländischer Weise (Tiehe 5. Maria delle Grazie und S. Maria preffo S. Satiro). Die Behandlung der feinen
Blumen und Früchte ist aber nicht im mailändischen Stile, sondern in dem der della Robbia. Ein Wappen-
schild bildet die Mitte des Tympanons. Ein anderes von zwei Putten und ssatternden Bändern füllt das
andere Tympanon aus.
Trotzdem ich während vieler Jahre diese Reste öfters ansah, konnte ich lange zu keiner Ansicht
gelangen, ob das Architektonische und Decorative das Werk eines Italieners oder eines Franzosen sei. Erst
beim Schreiben dieser Zeilen und indem ich die Formen mit denen vergleiche, die unzweifelhaft von
französischen Meisseln herrühren, in Gaillon, Nancy, Rouen, Nantes, glaube ich, dass man an Italiener zu
denken hat. Man vergleiche nur die Profilirung hier mit jener gleichzeitigen des Perreal und Michel
Colombe am Denkmal Franz II. in letzter Stadt, und jeder Zweifel dürfte schwinden. Was mich
hinderte, früher zu dieser Ueberzeugung zu gelangen, war der Umstand, dass das Rankenwerk im Gebälk
und an dem einen Pilaster Motive und eine Behandlung zeigt, die man in Italien in dieser Zeit nicht
häufig findet und die an altchristliche Werke erinnert; ebenso zeigt sich in den Pilasterfüllungen eine
Mischung von mythologischen, mittelalterlichen und christlichen Ideen, die mir in Italien in dieser Weise
nicht erinnerlich sind. Befremdend sind ebenfalls die Perlschnüre seitwärts an den Pilastern und der »lambre-
quinartige«, mit Pfeifen cannelirte Unterzug unter dem Architrav. Dennoch ist wiederum die Detaillirung
der Motive so fein und voll italienischer Technik und Formenkenntniss, dass man an keinen französischen
Meissel denken kann 1276). Ein von Courajod angeführter Punkt bestätigt mich nun ganz in dieser Ueber-
zeugung , und das Befremdende in der Auswahl der Motive wird durch die offenbar richtige Bemerkung
Courajod’?, erklärt, dass die Grabcapelle 1506 zu den Lebzeiten des berühmten Historikers und unter seiner
Leitung ausgeführt worden sei. Nur die Wünsche und Angaben eines Gelehrten können eine solche Zu-
sammenstellung von Motiven erklären.
Die Pilaster haben gute Verhältnisse, feine, delikate Kapitelle, das eine mit zwei gessügelten Pferden.
Die Arabesken haben keinen sehr lebendigen Schwung trotz richtiger Linienführung, vermuthlich wegen
der vielen Motive, die auf Verlangen Commyne’s angebracht werden mussten. Es kommen auch in den
Pilasterfüllungen ausser den Medaillons, Marmor- und Porphyrinkrustationen, Kraniche vor, ferner Sphinge,
Amor auf dem Seepferd, ein Weib auf einem Seemanne reitend, der Phönix mit seinen Jungen, ein ge-
ssügelter Stier, ein gessügelter Löwe mit Schlangenschwanz von italienischer, etwas Leonardesker Zeichnung,
1273) Siehe: Art. 64, S. 65 und Art. 75, S. 77. Er bezog 937^2 Livres jährlich; Fra. Giocondo nur 562.
1274) Millin, Antiquites nationales. Paris 1791, Bd. II, S. 41.
1275) Siehe: Courajod, L. La Part de l1 Art italien etc., a. a. O., S. 26 — 33.
1276) Courajod in seiner Studie: La Part de L'Art italien etc., a. a. O., S. 26, spricht sich über diesen Punkt nicht
bestimmt aus. In den Figuren der Verstorbenen sieht er eine Arbeit presque exclußvement fransaise', vom ganzen Werk
schreibt er : le parti pris general et la decoration d’enfemble font incontesiablement suggeres par l’Italie. Nur gelegentlich
eines Schreibfehlers der Inschrift: SANTVS GRECORIVS, SANTVS IERONIMVS, schreibt er mit vollem Recht: lapßus
bien naturel a, une main italienne.
 
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