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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 1.1936

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Lotz, Arthur: Das Ornamentwerk des Radierers Andreas Bretschneider d. J., [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6336#0033

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gestaltungen vorzunehmen, wie er es für das
Theatrum machinarum getan hatte. Dagegen
sind Titel und Bildnis, obgleich in der Anlage
dem Original folgend, in der ornamentalen
Ausbildung Bretschneiders eigenstes Werk.
Das Bildnis selbst (Abb. 4) ist eine getreue
Kopie des Pariser Originals. Aber wenn es
dort in einen der Regel gerechten Architek-
turrahmen mit deutlich abgesetzten Figuren
und klassizistischem Ornament gestellt war,
verschwinden hier bei Bretschneider Bau-
gefüge und Figuren beinahe ganz in dem
wuchernden Ornament, verknorpeltem Roll-
werk, das im Gegensatz zu der einschläfernden
Trockenheit des Pariser Stiches den Eindruck
lebhafter Bewegung in vielfältiger Gestaltung
hervorruft. Auch die Titeleinfassung (Abb. 5)
zeigt die gleiche Verzierungsart wie das Bild-
nis. Oben am Aufsatz werden Kriegstrophäen
von einer sich windenden und ringelnden,
Fratzen bildenden Masse umflossen, während
sie im Pariser Original einem klassizistischen
Giebelfeld eingefügt waren. Ebenso sieht
man an der nach unten abschließenden
Kartusche ausgesprochene Knorpelformen. Das Blatt ist jedoch nicht radiert wie Bret-
schneiders eigene graphische Arbeiten, sondern gestochen und bezeichnet C G; das ist das
Monogramm des Leipziger Kupferstechers Conrad Grale, dessen Zeichen auf einer Anzahl
von Bildnissen vorkommt, die fast ohne ornamentale Umrahmung gestaltet sind. Auch auf
Buchtiteln ist es zu finden, z. B. in Petrus Petrejus, Historie und Bericht von dem Groß-
fürstenthumb Muschkow, Leipzig 1620; Adam Volckmann, Tractatus criminalis, Leipzig 1629.
Aber diese kümmerlichen Bemühungen machen es deutlich, daß eine Titeleinfassung wie die
des Ramellischen Buches, die wohl von Grale gestochen wurde, nicht von ihm erfunden
und gezeichnet sein kann. Als Gestalter von Knorpelornament kommt Grale jedenfalls nicht
in Betracht, und es ist nur anzunehmen, daß er die Titeleinfassung, die so ganz im Stile
Bretschneiders gehalten ist, nach einer Vorzeichnung des letzteren gemacht hat.

Im Anschluß an diese beiden Bücher ist noch ein Einzelblatt zu erwähnen, das wohl um die-
selbe Zeit unter dem Titel „Delineatio vitae academicae, das ist wahre Abbildung des aca-
demischen Lebens" bei Godfridt Müller in Braunschweig herauskam, wie die Aufschrift besagt,
und mit Bretschneiders Monogramm bezeichnet ist (Abb. 6). Zwölf sittengeschichtlich recht
interessante Einzeldarstellungen aus dem studentischen Leben, die nach Inhalt und Kom-
position an ähnliche Bilder im „Pratum emblematicum" erinnern, sind hier zu einer großen
Tafel zusammengestellt und in einen reich mit Figuren besetzten Rahmen eingespannt. Aber
auch hier ist an verschiedenen Stellen Knorpelornament angebracht, das jedoch von den bis-
herigen Formen Bretschneiders abweicht, worüber später (siehe Heft 2) noch einiges zu
sagen sein wird. (Schluß folgt in Heft 2)

6. Delineatio vitae academicae. 315 : 235 mm

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