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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 1.1936

DOI Artikel:
Benesch, Otto: Meisterzeichnungen aus dem oberitalienischen Kunstkreis, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6336#0070

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mit der Komposition auseinander-
setzte, ohne daß diese gemalte mit
Wahrscheinlichkeit als die Urfas-
sung anzusprechen wäre. Nach
Cossios Datierung hat Greco das
Gemälde in der frühesten spani-
schen Zeit, als er an dem Altar für
So. Domingo el Antiguo arbeitete
(1577), geschaffen. Ich möchte hier
eine ältere, wohl auf italienischem
Boden entstandene Fassung der
Komposition zur Sprache bringen.
Sie wäre die älteste bisher bekann-
te. Die prachtvolle Federzeichnung
der Sammlung Skutetzky gibt sich
durch ihre Federtechnik auf den
ersten Blick als Werk eines Meisters,
der aus Tizians Schule hervor-
gegangen ist, zu erkennen. Diese
Bestimmung wurde schon von Me-
ders sicherem Blick getroffen. Die
Komposition ist aber bereits die
michelangeleske, reicher als die
Domgrablegung durch eine Fülle
von Assistenzfiguren, die die zen-
trale Gruppe umgeben, etwa in der
Art der großen Bötelzeichnung von
Sebastiano in der Albertina (Bö-
mische Schule Nr. 135). Zwei
heilige Figuren unterstützen den Toten; die ohnmächtige Maria wird von einer dritten
gehalten. Johannes und ein Verhüllter rahmen die Gruppe. Florentinisch-römischer Geist
spricht aus der reich verschränkten Dreieckskomposition, venezianisches Farbenempfinden
aus der bei aller Sicherheit der Formbezeichnung lockeren Handhabung des Federstriches.
Die Mittelgruppe Mariae und der beiden Frauen enthält in nuce bereits Grecos Kom-
position.

Wer ist der Zeichner des Blattes? Sicher ein Tizianschüler und kein unbedeutender. Um
eine Nachzeichnung nach einer fremden Erfindung handelt es sich keinesfalls. Dazu erscheint
die Gruppe zu frei entwickelt. Erfindung und Durchführung fließen aus derselben Quelle.
Greco war Schüler Tizians und ging dann durch die Schule Boms. Wir kennen keine sichere
Federzeichnung Grecos aus seiner italienischen Zeit, die uns einen entscheidenden Schluß
gestatten würde. Baumeister hat uns mit einer Kreidezeichnung nach einer Skulptur in
München bekannt gemacht, reich und farbenstrahlend im Strich wie ein Tizianblatt.1 Die
Federzeichnung stellt die Urform einer bekannten Grecokomposition dar. Kein innerer
Widerspruch schließt aus, daß Kreide- und Federblatt von derselben Hand sind, was
hier zunächst nur als bescheidene Möglichkeit angedeutet sei.

10. Jacopo Bassano, Der Schmerzensmann. Bremen, Kunsthalle

1 Münchner Jahrb. d. bild. Kunst N. F. VI (1929), S. 201.

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