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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0028

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Frankenthal

sie unterhalten sich, binden Kränze oder eilen davon. Die Gestalten sind unmotiviert dem
hochgezogenen blühenden Bunt aufgelegt; die Technik ist schwach. Es handelt sich um
einen Kleinbetrieb. An dem gleichen Wirkerort ist an und für sich nicht zu zweifeln.

Ein drittes, ebenso widerspruchsvolles Beispiel (Abb. 14b, H. 1,95 m, L. 4,15 m, Berliner
Kunsthandlung Margraf & Cie.): Diana zieht mit ihren Gefährtinnen zur Jagd, die Göttin
nimmt ein erfrischendes Bad. Die Episoden sind in der Zeichnung nicht sonderlich ge-
schickt, ohne inneren Zusammenhang dem vorzüglich durchgeführten dekorativen Laub-
und Blumenwerk eingefügt. Die riesenhaften Blätter, auf denen nicht minder gewaltige
Vögel sitzen — die Drossel links oben nimmt es mit der halben Diana auf —, die fein er-
faßten Blüten, der technisch hervorragend gelöste Waldboden, alle zusammen stammen aus
verschiedenen Verdürenvorlagen aus der Zeit von 1565—1590. Der Zusammenklang, der
sich in der Mittelpartie — soweit es Flora und Fauna angeht — noch behauptet, geht links
vollkommen verloren. Das so zwiespältige Bildmotiv wird von einer rein Brüsseler Bor-
düre — technisch gut durchgeführt — im Geschmacke der achtziger Jahre des 16. Säku-
lums gerahmt. Einen schönen Dianateppich (Bechteckformat, H. 3,60 m, L. 4,00 m) — im
Hintergrund die Eberjagd — mit reicher Kartuschen-(Äsop-Fabeln), Amoretten-, Grotes-
ken- und Früchterahmung von stark Brüsseler Gepräge (um 1570) verzeichnete die Mün-
chener Kunsthandlung A. S. Drey.

Immer wieder finden wir in der Spätzeit der Frankenthaler Manufaktur die gleichen
typischen Merkmale, die Gleichgültigkeit gegenüber der einheitlichen Zusammenstellung
der Kartons, das Streben, sich mit den vorhandenen älteren und jüngeren Vorlagen abzu-
finden: nur kein Geld in neuen Kartons festlegen.

Ein letztes Beispiel, diesmal eines der beliebten Jagdmotive (Berliner Kunsthandel,
H. 1,70 m, L. 6,55 m, Abb. 15): Die Bilddarstellung ist einheitlich entstanden, d. h. aus
zwei gleichzeitigen Motiven zusammengestellt, rechts die Bärenhatz, links die Dachs (?)-
Jagd. Den Trachten nach ist der Behang um 1620 anzusetzen. Die Bordüre verwendet die
üblichen allegorischen Figuren in den Ecken und den Mitten der Längsrahmen; die satt-
sam bekannten Blumenvasen werden belebt und unterbrochen durch Männer- und Frauen-
gestalten, die mit einem Hunde spielen oder die Trompete blasen. Die Vergröberung hat
ziemlich starke Fortschritte gemacht; die alten, immer wieder verwandten und aufgefrisch-
ten Kartons haben ihre Zugkraft verloren. Die Farbengebung ist hart, das Blaugrün des
Baumschlages, die vielfach auftretenden braungelben Töne lassen das Bot und Blau der
Gewänder in den Hintergrund treten. Die letzten Ausklänge der Wirkerkolonie Frankenthal
finden bei der Besprechung der wesensverwandten Heidelberger Betriebe Besprechung.
 
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