Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0029

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3. Heidelberg.

a) Urkundliche Belege.

1528 beruft Ludwig V., Kurfürst von der Pfalz, den „erbarn Johannesen Felthan von
Prüssel, Würckern", zur Durchführung eines Behanges — etwa 17 Ellen lang, 8 Ellen
hoch —; der Karton ist bereits vorhanden. Es dreht sich um die Wiedergabe einer histori-
schen Begebenheit — „daruff die belegerung des schloß Nanstals, wie dasselb von Frantzen
von Sickingen seligen erobert worden ist" — aus dem Jahre 1523.

Der Aufstand der protestantisch gesinnten Ritterschaft unter Führung von Franz von
Sickingen — es handelt sich um die Lauinger Affäre — bricht unter dem Ansturm der ver-
bündeten Fürsten — Kurfürst Ludwig V. und Herzog Ott-Heinrich — zusammen; die Feste
Landstuhl fällt am 2. Mai 1523.

Aus welchem Orte Meister Johannes Felthan mit seinen Gehilfen zureist, wird leider
nicht näher angegeben, wohl kaum unmittelbar aus Brüssel. Die technischen Einzelheiten
finden eingehende Festlegung. Nach Fertigstellung des Behanges sollen Karton und Tep-
pich nebeneinander aufgehängt und verglichen werden; jeden Mangel hat der Wirker auf
seine Kosten zu beseitigen. Im Falle der Kurfürst Gold und Silber wünscht — des besseren
„glantzes undt wolstandts willen" bei den Harnischen, Spießen, Büchsen usw. —, trägt er
und nicht der Wirker die Unkosten für diese Sonderausgabe, während im übrigen die Be-
schaffung des Materials Pflicht des Wirkers ist. Als Quadratellenpreis werden drei Gulden
rheinischer Währung vereinbart, Meister Felthan gewährt jedoch einen Gesamtnachlaß in
Höhe von 40 Gulden. Die Kosten beliefen sich auf über 400 Gulden. Im übrigen finden sich
die üblichen Vereinbarungen über Abschlagszahlungen, Gewährung von Naturalien, Hof-
kleid usw. Die Werkstatt wird in der großen Stube des Jakobsklosters eingerichtet71).

Der Teppich erscheint in der „Tapezerei" des Heidelberger Schlosses vom Jahre 1584:
„Item ein gewürckts tuch von der belagerung Nanstals des schloß, hat phaltzgraf Ludwig
churfürst machen lassen"72). Der Behang ist verschollen. Eine ungefähre Vorstellung gibt
uns ein Kupferstich aus dem 1626 in Straßburg bei Josias Rithel verlegten „Bellum
Sickinganum". Die Darstellung ist ziemlich langweilig. Kreisförmig zieht sich der Ring der
Kanonen um die Feste Landstuhl, verstärkt durch ein besonders großes Stück. Im Tale
links brennt eine Ortschaft, rechts zieht sich das Feldlager mit den Fürstenzelten bis auf die
bewaldeten Höhen. Die Bordüre scheint schon zur Zeit des Stichzeichners abhanden ge-
kommen zu sein.

Ob Felthans Tätigkeit sich auf das eine Stück beschränkte, steht dahin. Das Inventar
von 1584 fährt zwar fort „Item noch zwei stück, werden gemeinlich darzu ufgeschlagen,
auch von einer belagerung, ist etwas alt geschaffener (d. h. schlechter erhalten) dan das
nechst obig"; der Text läßt keinen sicheren Rückschluß zu.

Bernhart Fiorat — 1543 — ist kein „Tapetenmacher" sondern Bordenwirker und Seiden-
sticker. Anders verhält es sich mit Melchior Grienman, den Friedrich III. von Pfalz-Sim-
mern — sein Vorgänger Ludwig V. ist am 16. März 1544 verstorben — beruft. Der Meister
ist uns aus seinen Nürnberger Ansiedlungsverhandlungen bereits bekannt; wo er zuvor
tätig war, entzieht sich meiner Kenntnis, jedenfalls nicht in der legendären Wirkerkolonie
zu Neuburg oder Lauingen, die nur Mißverständnissen ihre angebliche Existenz verdankt.

15
 
Annotationen