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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0034

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K ö l n a. R h. Wesel

Eine verstärkte niederländische Einwanderung fällt in das Ende der fünfziger und in
die sechziger Jahre. Die vernichtenden Repressalien Herzog Albas treiben die protestanti-
schen Wirker in Scharen aus der alten Heimat. Nicht nur Angehörige der Kleinbetriebe,
auch Meister mit alten ruhmreichen Namen kehren Brabant und Flandern für immer den
Rücken. Die Ansammlung in Köln ist verhältnismäßig stark. Die landfremden „Ketzer"
schließen sich in der sog. „Geheimen Gemeinde" zusammen, ohne daß der Rat ihnen zu-
nächst allzu große Schwierigkeiten bereitet. Familiennamen erscheinen in den seltensten
Fällen; in der Regel finden sich nur Vorname und Berufsbezeichnung. Eine Ausnahme
machen die drei Großunternehmer Jacob de Carmes, Jan van Tiegen und Arndt (Berendt).
Über Stil und Art der Wirkertechnik des Jacob de Carmes herrscht, infolge seiner von mir
geklärten Stuttgarter und Frankenthaler Tätigkeit, keine Unklarheit mehr; er arbeitete voll
und ganz in der Formensprache der gleichzeitigen großen Brüsseler Folgen; der Meister
steht 1564 bereits im Dienste des Herzogs von Württemberg. Der Anstellungsvertrag vom
29. April d. J. spricht von „Jacoben von Carmiß, dappicerer, diser zeit burger inn Cöln"; die
letztere Angabe erscheint zweifelhaft, Meister Jacob findet sich weder in dem Bürgerauf-
nahmebuch, noch in den umfangreichen Akten der Abschiedsbriefe.

Johann van Tiegen stammt gleichfalls aus Brüssel, seine Tätigkeit (vor der Abwande-
rung) fand bereits in dem ersten Teile meiner „Wandteppiche" Berücksichtigung3). Der
Meister siedelt sich Ende der sechziger Jahre in Köln an. Die gewandelte Politik des Rates,
der 1570 in eingehender Weise „Glaubensbefragungen" anstellt, die Ende 1571 zum Ab-
schub der letzten Mitglieder der „Geheimen Gemeinde" führen — erste Voraussetzung zur
Aufnahme wird das katholische Bekenntnis —, zeitigte immerhin das Gute, einzelne, wenn
auch spärliche, auf Jan van Tiegen bezügliche Fingerzeige zu geben4). Die religiöse „Exa-
mination" vom 17. Januar 15705) berichtet von „Johan von Tiegen": „Wonet uf der Huin-
portzen (die Straße Hohepforte am Waidmarkt) beneben dem Höhender in Druitgen
Hertzbachs behausung (Drutgen Weinsberg, Wittwe des Peter Heresbach, Leinenhändler
im Hause zum Holländer) ist ein Tapitziermacher von Brüssel, ist für 2 jarhen (also 1568)
hierkhommen, ist aber nit vereidt (daher sein Fehlen in den Bürgerlisten). Er sagt, ehr hab
einen abschiedtzbrieff, den sali ehr in der cantzlei stellen6); ist wegen der conventiculen ge-
fragt, thut der kheinen gestandt; ehr hab sunst seinen bruder (ob auch Wirker?) mit des-
selben haus frauwen bei ime im huiß, ehr noch sein gesinde gaen nicht zur kirchen. Sie
noch ehr entpfangen kheine sacramenta dweill die inen nicht nach der insetzung Christi
gereichet werden, könne aber von seinem bruder und den andern nicht sagen, laß sich
selbst verandtwurdten; sagt ferer, seine kinder werhen hiebevor alle zu Brüssel gedaufft,
ehr ist nicht catholicus". Die Angelegenheit findet einen weiteren Niederschlag in dem
Ratsprotokoll7) vom 2. März. Johan van Tiegen erscheint neben verschiedenen Niederlän-
dern — Männer und Frauen — auf der Liste der der Ketzerei verdächtigen Fremden. Sie
werden aufgefordert „ire kinder tauffen zu lassen und die sacramenta zu emfpangen"; im
Weigerungsfalle erfolgt die Verweisung aus Köln innerhalb von drei Tagen. Johann van
Tiegen lehnt einen Kompromiß ab, er siedelt mit Hausstand und Wirkern nach Wesel über.
Von der Kölner Tätigkeit des Meisters, der einst zu den Ersten der Brüsseler Wirkerzunft
zählte, ist uns lediglich die „Geschichte desCyrus" bekannt, die im Auftrage des Landgrafen
Wilhelm von Hessen-Kassel auf die Gezeuge gelegt wurde. Unter dem 6. Februar 1570
schreibt „Jehan van tieghen" aus Köln seinem fürstlichen Mäzen: „Je feray mon debuoir
car quandz ceste sera acheue je vouldroy bien auoir aultres ouvrages et jay espoir que eile
seront toutes faictes a le sainct jehan (24. Juni) auecq la grace de dieu un plus loing sans
fortune.. .". Fertiggestellt waren in Köln etwa zehn Behänge. Die Überweisung von
900 Gulden für die bis zur Ostermesse 1572 gelieferte Gesamtfolge (14 Teppiche) erfolgt
nach Wesel8). Das Schreiben vom 6. Februar 1570 trägt die bekannte Marke des Wirkers.

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