Lüneburg
det aus der niederdeutschen Produktion aus. Ein sehr ähnliches Stück, zweifellos aus der
gleichen Manufaktur — ehedem im Besitze der Berliner Kunsthandlung J. u. A. Goldschmidt —
trägt in der Lisiere (unten links) die Stadtmarke von Oudenaarde und Wirkerzeichen41 c).
In lockerem Zusammenhang mit der Lüneburger Produktion steht eine 1621 datierte
heraldische Tischdecke (Berliner Schloßmuseum, Abb. 85, H. 2,20 m, L. 3,80 m) mit den
vom Lorbeerkranz umschlossenen, von Engeln gehaltenen Allianzwappen des Grafen Jo-
hann XVI. von Oldenburg (gest. 1603) und seiner Gattin Elisabeth, Tochter des Grafen
Günther XXXVIII. von Schwarzburg (gest. 1612), die wahrscheinlich auf eine Bestellung
des Sohnes, des Grafen Anthon Günther von Oldenburg, zurückgeht. In Entwurf, Technik
und Palette ähnelt das Stück der „Tourainer"-Gruppe — einzelgesetzte Blütenbüschel usw.
— der Lüneburger Betriebe. Das Gerank, das den freibleibenden Grund überspinnt, zeigt
eine gewisse Verwandtschaft mit dem Muster, das den Wappenteppich (Braunschweig-
Lüneburg, 1610) in den Brüsseler Musees du Cinquantenaire überspinnt, aber ein wesent-
lich gröberes, ja verbauertes Stilempfinden. Die Verplattung der Formen macht sich noch
stärker in der Bordürenlösung — allegorische Figuren, Rosetten, Blumen, Früchte — be-
merkbar. Das Ineinanderfließen der Werkstätten von Wolfenbüttel-Braunschweig, Kassel,
Lüneburg, Hamburg, Wismar usw. ist bei dem starken Wandertrieb der Meister und dem
ständigen Wechsel der Hilfskräfte nicht gerade verwunderlich.
Die gleichen mächtigen Rosettenblumen und die Engel in noch steiferer Haltung kehren
wieder bei einem Kissenblatt (H. 54,5 cm, L. 51,5 cm) mit zwei noch ungedeuteten Wappen
im Kestner-Museum zu Hannover (Abb. 86a).
Von Kleinwirkereien dürfte schließlich mit einem Fragezeichen noch ein Kissenblatt
(Abb.86b, 54cmX52,5cm) des Kestner-Museums (Hannover) Lüneburg zu überweisen sein.
Zwei palmentragende Engel flankieren ein Rundmedaillon (Simsons Kampf mit dem Lö-
wen) ; Blüten und Blätter decken den Fond; die Bordüre wählt das übliche Frucht-Blu-
men-Motiv. Die Farbengebung geht mit der der Lüneburger Wirkereien um 1580 zusammen.
Authentisch klösterliche Arbeiten aus der Lüneburger Gegend zählen zu den Seltenheiten.
Der Pelikanstreifen im Kloster Lüne (Anfang des 16. Jahrhunderts), der des öfteren in der
Literatur herumgeistert, ist keine Wirkerei, sondern eine Stickerei.
Niedersächsischen, vielleicht Lüneburger Ursprungs, ist ein eigenartiger Teppich, der
aller Voraussicht nach einer klösterlichen Werkstatt entstammt. Der Behang (Abb. 87), der
in einer langen Reihe (37), unmittelbar nebeneinander gesetzt, Episoden aus dem Alten
Testament in historischer Folge entwickelt, gelangte 1929 (29. November) in einer Lon-
doner Auktion (Sotheby & Co.) zur Versteigerung42). Es liegt m. E. kein Grund vor, die
Jahreszahl 1550 auf dem Schriftband in der dritten Reihe in 1505 umdeuten zu
wollen. Veranlassung gab augenscheinlich die nicht in allen Fällen zeitlich übereinstim-
mende Tracht der handelnden Personen. Der Grund erklärt sich m. E. aus der Tatsache,
daß der Kartonzeichner ziemlich wahllos frühere und spätere Holzschnittvorlagen ver-
schiedener Provenienz als Vorlagen benutzte. Neben Szenen von typisch niederdeutschem
Gepräge (gesamte erste Reihe, Lot, Abrahams Opfer usw.) finden sich Episoden, die an
mittelrheinische, mainfränkische bzw. elsässische oder oberrheinische Motive erinnern (die
Verehrung des goldenen Kalbes, David und Goliath, Salomo und die Sibylle, David und
Bathseba, Joab tötet Abner, Salomos Götzendienst). Die eigenartigen Unterschiede finden
sich nicht weniger drastisch bei der Durchbildung der Flora. Neben primitiven Bildungen
wie der Raum vor Bileams Eselin (zweite Reihe, rechts), dem schematischen Gras- und
Blumenwuchs in der letzten Szene (Christi Geburt) erscheinen ausgesprochen naturali-
stische Gewächse (Baum in der „Versuchung", Blumen in der „Vermählung Josephs und
Marias", letzte Reihe, rechts usw.). Auch hier dürfte die Abhängigkeit des Wirkers oder der
Wirkerin von den Vorbildern erwiesen sein. Die schmale, noch teilweise erhaltene Treppen-
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det aus der niederdeutschen Produktion aus. Ein sehr ähnliches Stück, zweifellos aus der
gleichen Manufaktur — ehedem im Besitze der Berliner Kunsthandlung J. u. A. Goldschmidt —
trägt in der Lisiere (unten links) die Stadtmarke von Oudenaarde und Wirkerzeichen41 c).
In lockerem Zusammenhang mit der Lüneburger Produktion steht eine 1621 datierte
heraldische Tischdecke (Berliner Schloßmuseum, Abb. 85, H. 2,20 m, L. 3,80 m) mit den
vom Lorbeerkranz umschlossenen, von Engeln gehaltenen Allianzwappen des Grafen Jo-
hann XVI. von Oldenburg (gest. 1603) und seiner Gattin Elisabeth, Tochter des Grafen
Günther XXXVIII. von Schwarzburg (gest. 1612), die wahrscheinlich auf eine Bestellung
des Sohnes, des Grafen Anthon Günther von Oldenburg, zurückgeht. In Entwurf, Technik
und Palette ähnelt das Stück der „Tourainer"-Gruppe — einzelgesetzte Blütenbüschel usw.
— der Lüneburger Betriebe. Das Gerank, das den freibleibenden Grund überspinnt, zeigt
eine gewisse Verwandtschaft mit dem Muster, das den Wappenteppich (Braunschweig-
Lüneburg, 1610) in den Brüsseler Musees du Cinquantenaire überspinnt, aber ein wesent-
lich gröberes, ja verbauertes Stilempfinden. Die Verplattung der Formen macht sich noch
stärker in der Bordürenlösung — allegorische Figuren, Rosetten, Blumen, Früchte — be-
merkbar. Das Ineinanderfließen der Werkstätten von Wolfenbüttel-Braunschweig, Kassel,
Lüneburg, Hamburg, Wismar usw. ist bei dem starken Wandertrieb der Meister und dem
ständigen Wechsel der Hilfskräfte nicht gerade verwunderlich.
Die gleichen mächtigen Rosettenblumen und die Engel in noch steiferer Haltung kehren
wieder bei einem Kissenblatt (H. 54,5 cm, L. 51,5 cm) mit zwei noch ungedeuteten Wappen
im Kestner-Museum zu Hannover (Abb. 86a).
Von Kleinwirkereien dürfte schließlich mit einem Fragezeichen noch ein Kissenblatt
(Abb.86b, 54cmX52,5cm) des Kestner-Museums (Hannover) Lüneburg zu überweisen sein.
Zwei palmentragende Engel flankieren ein Rundmedaillon (Simsons Kampf mit dem Lö-
wen) ; Blüten und Blätter decken den Fond; die Bordüre wählt das übliche Frucht-Blu-
men-Motiv. Die Farbengebung geht mit der der Lüneburger Wirkereien um 1580 zusammen.
Authentisch klösterliche Arbeiten aus der Lüneburger Gegend zählen zu den Seltenheiten.
Der Pelikanstreifen im Kloster Lüne (Anfang des 16. Jahrhunderts), der des öfteren in der
Literatur herumgeistert, ist keine Wirkerei, sondern eine Stickerei.
Niedersächsischen, vielleicht Lüneburger Ursprungs, ist ein eigenartiger Teppich, der
aller Voraussicht nach einer klösterlichen Werkstatt entstammt. Der Behang (Abb. 87), der
in einer langen Reihe (37), unmittelbar nebeneinander gesetzt, Episoden aus dem Alten
Testament in historischer Folge entwickelt, gelangte 1929 (29. November) in einer Lon-
doner Auktion (Sotheby & Co.) zur Versteigerung42). Es liegt m. E. kein Grund vor, die
Jahreszahl 1550 auf dem Schriftband in der dritten Reihe in 1505 umdeuten zu
wollen. Veranlassung gab augenscheinlich die nicht in allen Fällen zeitlich übereinstim-
mende Tracht der handelnden Personen. Der Grund erklärt sich m. E. aus der Tatsache,
daß der Kartonzeichner ziemlich wahllos frühere und spätere Holzschnittvorlagen ver-
schiedener Provenienz als Vorlagen benutzte. Neben Szenen von typisch niederdeutschem
Gepräge (gesamte erste Reihe, Lot, Abrahams Opfer usw.) finden sich Episoden, die an
mittelrheinische, mainfränkische bzw. elsässische oder oberrheinische Motive erinnern (die
Verehrung des goldenen Kalbes, David und Goliath, Salomo und die Sibylle, David und
Bathseba, Joab tötet Abner, Salomos Götzendienst). Die eigenartigen Unterschiede finden
sich nicht weniger drastisch bei der Durchbildung der Flora. Neben primitiven Bildungen
wie der Raum vor Bileams Eselin (zweite Reihe, rechts), dem schematischen Gras- und
Blumenwuchs in der letzten Szene (Christi Geburt) erscheinen ausgesprochen naturali-
stische Gewächse (Baum in der „Versuchung", Blumen in der „Vermählung Josephs und
Marias", letzte Reihe, rechts usw.). Auch hier dürfte die Abhängigkeit des Wirkers oder der
Wirkerin von den Vorbildern erwiesen sein. Die schmale, noch teilweise erhaltene Treppen-
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