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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0150

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Wismar. Rostock

beansprucht; die untere, gleich große Partie bringt durch eine dünne Säule gegliedert, links
die Anbetung der Könige, rechts die der Hirten.

Die Bordüre mit den typischen fruchtkorbtragenden Hermen in den Seitenrahmen kehrt
wieder in einer Anbetung der Hirten (Abb. 115b). die in großem Maßstabe die untere
(rechts) kleine Szene des Hamburger Behanges (im Spiegelbild) kopiert und erweitert
(Baden-Badener Kunsthandel, M. Göhring). Der Vorgang ist ungewöhnlich, das Stück ist
mir lediglich in der Photographie bekannt.

Zu der gleichen Gruppe zählt schließlich ein Behang — der Heiland im Gebet auf dem
ölberg — im Royal Scottish Museum zu Edinburgh (Abb. 115c).

Die unklare Stellung Rostocks, soweit die BildteppichWirkerei in Frage kommt, wird
noch erschwert durch zwei Behänge aus dem Heiligkreuz-Kloster (Rostock), vor einigen
Jahren in das Schweriner Landesmuseum überführt.

Abb. 114b schildert die bekannte Esther-Ahasver-Szene in der typischen Blumen-Frucht-
Hohlkehlenfassung (H. 2,31 m, L. 1,89 m). Es handelt sich wahrscheinlich um die Wieder-
holung eines Wismarer Behanges, die jedoch nicht an der deutschen Ostseeküste, sondern
in den skandinavischen Ländern — ob Norwegen oder Schweden? — entstanden ist. Von
der niederländischen Wirkereitechnik ist keine Spur mehr vorhanden. Der Teppich zeigt
die ausgesprochene nordische Treppenmanier. Die wagerechten Lagen erscheinen nicht als
vernähte Spalten, sondern sind zum Teil sorgfältig verzahnt — siehe die ausgestreckte
Hand Ahasvers (an anderen Stellen sind die Fäden ineinander geschlungen) —, die ab-
gerundeten Konturen sind ins Eckige umgebogen, der Faltenwurf des Gewandes der
knienden Esther löst sich zu einem undisziplinierten Liniengewirr; die Blätter und Blüten
der Bordüre verraten die Neigung, sich zu ornamentalen Gebilden zu wandeln. Kurz der
Teppich zeigt in seinem ganzen Gepräge — auch in der gelbbraunen Farbengebung (dane-
ben grüne, blaue, blaugrüne Töne) — die typischen Merkmale skandinavischer, insbeson-
dere norwegischer Bildwirkereien aus dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts.

Im gleichen Maße tritt der nordische Einschlag in den beiden zusammengehörigen Strei-
fen zutage — aus dem Heiligkreuz-Kloster zu Rostock —, die einen Behang bilden und drei
Episoden zur Darstellung bringen: Salomo und die Königin von Saba, Bathseba im Bade,
Esther und Ahasver. Die Bordüre erinnert an die Fassung eines norwegischen Behanges,
„Der Gerechte und die christlichen Tugenden" (Abb. 181b). Schließlich ist noch ein Frag-
ment (H. 1,30 m, L. 1,86 m, Wolle und Seide auf leinener Kette, vereinzelt Verzahnungs-
technik) zu erwähnen, „David spielt vor König Saul", das K. Mellbye Schleswig-Holstein
(das Stück eignet dem Nordiska Museet) zuschreibt, das in Technik und Zeichnung der Ro-
stocker Gruppe nahesteht, in der Bordürenlösung zugleich an die Wolfenbütteler, noch
mehr an die flämisch-polnischen Wirkereien (Abb. 202b, 203a) anklingt41*).

Die Annahme des nordischen Importes läßt an dem Vorhandensein einer Rostocker
Manufaktur — zum mindesten im endenden 16. Säkulum zweifeln. Ob der niedrige Preis
die auftraggebenden Persönlichkeiten zum Erwerb der nordischen Erzeugnisse unter Aus-
schluß der Wismarer Bildwirkerei bestimmte, ob es sich um eine fromme Stiftung eines
seefahrenden Kaufmanns der alten Hansastadt handelte, läßt sich kaum noch ermitteln.

Eine späte Blüte ersteht der Rostocker Bildwirkerei im 17. Säkulum. Die Rostocker
Bürgerbücher melden unter dem 30. Dezember 1637: „Jürgen Härmen Marohtt von Cap-
peln in Hessen, ein Tapetenmacher, ist das Bürgerrecht auff eines Erbarn und Hochweisen
Rahts decretiren gelassen zu einem Recognitionsgelde, als 2 fl. 8 ß"i0). Gemeint ist der Kas-
seler Wirker Marrot41).
 
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