Polen. Litauen. 16. Jahrhundert
H. 3,28 m, L. 2,55 m, 6 Kettfäden auf einen Zentimeter, Wolle und Seide) in der Samm-
lung Parodi-Delfino zu Rom. Die Farbengebung ist vorwiegend Gelbbraun, Mattrot bis
Dunkelrot, Blau, Grüngelb, Braun bis Dunkelbraun. Die Flora ist genau übereinstim-
mend. Die große blühende Staude mit den gelappten Blättern (rechts neben dem Altar mit
dem knienden Isaak) kehrt wieder in den Simsonteppichen, desgleichen der wattebausch-
artige Rauch, der dem Brandgefäß entströmt (die Füchse mit den brennenden Schwänzen),
die Wolkenbildung ist in allen Stücken dieselbe. Die Bordüre des Abrahamsopfers hat nur
insofern eine Abänderung erfahren, als zwischen den bekannten Frucht-Blumen-Gehängen
kleine Camaieubilder — Tugenden rechts und links, ruhende Könige oben und unten,
gekrönte Köpfe, anscheinend Bibelholzschnitten entlehnt, in den vier Ecken — in der näm-
lichen harten Technik erscheinen. Die Palastarchitektur im Hintergrunde des Abrahams-
opfers ist stärker italienisierend als in den Simsonbehängen, es fehlt aber auch hier nicht
der Rundturm mit der Kugel. Das Abrahamsopfer steht nun seinerseits in enger Verbin-
dung mit den Behängen aus dem Betriebe des Boldewin von Brüssel und anderer ver-
wandter Werkstätten in Wolfenbüttel, wohl auch in Braunschweig. Der Vergleich mit
den Blumenstauden der Asseburgdecken (Abb. 71), mit dem Abrahamsopfer (Abb. 72 a)
im Römer-Museum zu Hildesheim (gleiche Wolkenbildung), mit der Version im Kloster
Lüne (typische Flora) usw. beweist m. E. unzweideutig den Zusammenhang der polni-
schen mit der braunschweigischen Gruppe. Es liegt nahe, einen kleinen Behang bei L. Bern-
heimer, München, „Anbetung" (Abb. 96 c), der ein Hamburger Geschlechterwappen trägt,
mit heranzuziehen. Bis auf die hart und ähnlich gezeichneten Blütenbüschel findet sich
jedoch kein weiterer Zusammenklang. Anders liegen die Verhältnisse bei einem „Opfer
Kains und Abels" — den Teppich kenne ich allerdings nur durch eine Photographie — in
der Kathedrale Wawel (Krakau). Im Vordergrund rechts erhebt sich ein Springbrunnen mit
Rundbecken, auf dem ein Vogel sitzt, dahinter grünt ein Baum. Großblättrige, zum Teil
blühende Pflanzen, füllen den Fond. Abel opfert an dem hart gezeichneten Altar, der ganz
dem Gerät des Abrahamsteppichs gleicht; links bezieht Kain seine Opferstätte; im Hinter-
grunde geht der Todschlag in Szene. Die Bordüre zeigt oben und unten die typischen Ca-
maieubilder, rechts und links die Tugendengestalten, in den vier Ecken Löwenmaskarons
(unten) und eine Figur mit einem Löwen (oben). Technik und Aufbau gehen mit dem
Abrahamsopfer der Sammlung Parodi-Delfino zusammen.
Charakteristisch für die Gesamtgruppe ist der ausgesprochen protestantische Zug, der es
als wahrscheinlich denken läßt, daß Anhänger der Lehre Luthers, also polnische Groß-
aristokraten wie die Radziwill oder die Chalecki, die Behänge in Auftrag gaben. Unklar ist
mir allerdings zunächst der Zusammenhang zwischen Polen und Wolfenbüttel-Braun-
schweig. Möglicherweise sind die ersten Behängel—.Simson, Kain und Abel—noch auf nieder-
sächsischem Boden entstanden. Das Überleitungsmoment bildet die Architektur in dem
Abrahamsopfer zu Rom, die starke Verwandtschaft mit den Bauten der Evangelistentep-
piche aufweist, wie überhaupt der Abrahamsbehang bereits eine Vergröberung gegenüber
der Simsonfolge darstellt. Die Bordüre der Evangelistenteppiche zeigt ein starkes Fort-
schreiten ins Volkstümliche; d. h. der Schluß ist m. E. berechtigt, daß der Wolfenbütteler
Wirker sich entschlossen hat, zu seinen wohlwollenden und kunstliebenden Gönnern nach
Polen überzusiedeln. Die Credo-Serie bildet den Abtakt. Wo sich die Manufaktur befand —
wahrscheinlich in Wilno — steht dahin.
H. 3,28 m, L. 2,55 m, 6 Kettfäden auf einen Zentimeter, Wolle und Seide) in der Samm-
lung Parodi-Delfino zu Rom. Die Farbengebung ist vorwiegend Gelbbraun, Mattrot bis
Dunkelrot, Blau, Grüngelb, Braun bis Dunkelbraun. Die Flora ist genau übereinstim-
mend. Die große blühende Staude mit den gelappten Blättern (rechts neben dem Altar mit
dem knienden Isaak) kehrt wieder in den Simsonteppichen, desgleichen der wattebausch-
artige Rauch, der dem Brandgefäß entströmt (die Füchse mit den brennenden Schwänzen),
die Wolkenbildung ist in allen Stücken dieselbe. Die Bordüre des Abrahamsopfers hat nur
insofern eine Abänderung erfahren, als zwischen den bekannten Frucht-Blumen-Gehängen
kleine Camaieubilder — Tugenden rechts und links, ruhende Könige oben und unten,
gekrönte Köpfe, anscheinend Bibelholzschnitten entlehnt, in den vier Ecken — in der näm-
lichen harten Technik erscheinen. Die Palastarchitektur im Hintergrunde des Abrahams-
opfers ist stärker italienisierend als in den Simsonbehängen, es fehlt aber auch hier nicht
der Rundturm mit der Kugel. Das Abrahamsopfer steht nun seinerseits in enger Verbin-
dung mit den Behängen aus dem Betriebe des Boldewin von Brüssel und anderer ver-
wandter Werkstätten in Wolfenbüttel, wohl auch in Braunschweig. Der Vergleich mit
den Blumenstauden der Asseburgdecken (Abb. 71), mit dem Abrahamsopfer (Abb. 72 a)
im Römer-Museum zu Hildesheim (gleiche Wolkenbildung), mit der Version im Kloster
Lüne (typische Flora) usw. beweist m. E. unzweideutig den Zusammenhang der polni-
schen mit der braunschweigischen Gruppe. Es liegt nahe, einen kleinen Behang bei L. Bern-
heimer, München, „Anbetung" (Abb. 96 c), der ein Hamburger Geschlechterwappen trägt,
mit heranzuziehen. Bis auf die hart und ähnlich gezeichneten Blütenbüschel findet sich
jedoch kein weiterer Zusammenklang. Anders liegen die Verhältnisse bei einem „Opfer
Kains und Abels" — den Teppich kenne ich allerdings nur durch eine Photographie — in
der Kathedrale Wawel (Krakau). Im Vordergrund rechts erhebt sich ein Springbrunnen mit
Rundbecken, auf dem ein Vogel sitzt, dahinter grünt ein Baum. Großblättrige, zum Teil
blühende Pflanzen, füllen den Fond. Abel opfert an dem hart gezeichneten Altar, der ganz
dem Gerät des Abrahamsteppichs gleicht; links bezieht Kain seine Opferstätte; im Hinter-
grunde geht der Todschlag in Szene. Die Bordüre zeigt oben und unten die typischen Ca-
maieubilder, rechts und links die Tugendengestalten, in den vier Ecken Löwenmaskarons
(unten) und eine Figur mit einem Löwen (oben). Technik und Aufbau gehen mit dem
Abrahamsopfer der Sammlung Parodi-Delfino zusammen.
Charakteristisch für die Gesamtgruppe ist der ausgesprochen protestantische Zug, der es
als wahrscheinlich denken läßt, daß Anhänger der Lehre Luthers, also polnische Groß-
aristokraten wie die Radziwill oder die Chalecki, die Behänge in Auftrag gaben. Unklar ist
mir allerdings zunächst der Zusammenhang zwischen Polen und Wolfenbüttel-Braun-
schweig. Möglicherweise sind die ersten Behängel—.Simson, Kain und Abel—noch auf nieder-
sächsischem Boden entstanden. Das Überleitungsmoment bildet die Architektur in dem
Abrahamsopfer zu Rom, die starke Verwandtschaft mit den Bauten der Evangelistentep-
piche aufweist, wie überhaupt der Abrahamsbehang bereits eine Vergröberung gegenüber
der Simsonfolge darstellt. Die Bordüre der Evangelistenteppiche zeigt ein starkes Fort-
schreiten ins Volkstümliche; d. h. der Schluß ist m. E. berechtigt, daß der Wolfenbütteler
Wirker sich entschlossen hat, zu seinen wohlwollenden und kunstliebenden Gönnern nach
Polen überzusiedeln. Die Credo-Serie bildet den Abtakt. Wo sich die Manufaktur befand —
wahrscheinlich in Wilno — steht dahin.