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Altfranzösische Literatur.

1039

habe. Defshalb barsten ihn alle Jungfrauen sehr und verab-
redeten unter einander, ihn nie zu lieben. Hierüber wird
Melion sehr betrübt, und der König Artus schenkt ihm, um
ihn zu erheitern, zum Lehen ein schönes Schlofs am Meer
mit Wald und Flächen, und hier lebt er ein Jahr, in wel-
chem er sich so sehr an das freie Waldleben gewöhnt, dafs
er keinen weitern Wunsch mehr hat. Während er einst so
mit seinen Hunden einem Hirsche nachjagt, eilt eine schön
gekleidete Jungfrau auf ihn zu, welche von Irland zu kom-
men behauptet, und ihm ihre Liebe anträgt, da sie sonst nie-
mand geliebt habe, noch lieben werde, als ihn. Er nimmt
das Anerbieten freudig an, führt sie auf sein Schlofs, macht
eine glänzende Hochzeit, und erhält in drei Jahren von ihr
zwei Söhne. Eines Tags, als sie miteinander auf der Jagd
sind, macht Melion die Frau auf einen grofsen Hirsch auf-
merksam, den sie gleich mit solcher Bestimmtheit zu haben
verlangt, dafs sie eher nichts anders mehr essen zu wollen
erklärt. Da gibt ihr denn Melion einen Ring mit einem weifsen
und einem rothen Stein, und sagt ihr, wenn sie ihn, nach-
dem er sich entkleidet, mit dem weifsen Steine berühre, werde
er zum Wolf und könne ihr als solcher den Hirsch erjagen.
Zugleich empfiehlt er ihr dringend auf seine Kleider Acht
zu haben. Sie macht ihn zürn Wolf5 statt aber seine Rück-
kehr zu erwarten, eilt sie über das Meer nach Duveline
(Dublin), einer Stadt an der See, wo ihr Vater, der König
von Yrlande, König ist. Als Melion seine Frau nicht mehr
findet, versteckt er sich in ein Schilf, das nach Yrlande fährt,
und kommt glücklich hinüber. Er lebt nun hier als Wolf und
schliefst sich an zehn.andere Wölfe an, gegen die der König
mit seinen Baronen auszieht. Die Zehn werden erschlagen;
seine Tochter aber, die den Zug auch mitmacht, bedauert,
dafs der gröfste entkommen sey. Um diese Zeit kommt König
Artus mit einem kleinen Gefolge nach Irland, um daselbst
einen Vertrag einzuleiten. Melion sieht sie von Weitem kom-
men und erkennt aufser dem König uoch gleich Gawein,
Iwain und Ydel. Er gesellt sich zu Artus, der ihm Essen
und Trinken vorsetzen läfst und sich mit seinen Rittern gar
sehr verwundert, ihn ganz zahm zu finden. Als er mit Artus
in das Schlofs des Königs von Irland kommt, erblickt er da-
selbst den Knappen, der ihn mit seiner Frau im Walde treu-
los verlassen hatte, packt ihn, und der Knappe wird nun ge-
nöthigt, den ganzen Hergang zu erzählen. Die Frau liefert
den Ring aus, Melioij wird abseits geführt, wieder in einen
Menschen verwandelt, und reich gekleidet. Melion will sie
nun zur Strafe in einen Wolf verwandeln, unterläfst es aber
auf Artus Bitten in Rücksicht auf ihre Kinder, und kehrt ohne
das verwünschte Weib mit seinem König nach Hause.
Schon das griechische Alterthum weifs von Verwandlung
der Menschen in Wölfe zu sagen. Bei Herodot (IV, 105)
 
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