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I

9fi Ulrichs: Reisen in Griechenland. 1. Bd.
Wie schon vorhin angedeutet worden ist, hat Herr Prof. Ul-
richs gelegentlich auch WTinke gegeben, welche zu einer richti-
geren Beurtheilung der entgegengesetzten Ansichten über die Ab-
stammung der heutigen Griechen benutzt werden können; theils
grammatisch-etymologische Bemerkungen, welche von um so grös-
serem Werthe sind, als der Verfasser einerseits völlig vorurtheils
frei ist, und andererseits überall einen feinen philologischen Takt
und eine genaue Bekanntschaft mit den alt- und neugriechischen
Mundarten bewährt; theils Schilderungen neugriechischer Sitten,
die an das Alterthum mehr oder minder lebhaft erinnern. Herr
Prof. Ulrichs, der Fallmerayer’s Ansichten im Ganzen nicht theilt,
ist, was diese Schilderungen betrifft, sogar glücklicher in seiner
Auswahl gewesen, als Herr Bybilakis, der sich ganz eigentlich
dieses Ziel gesteckt hatte. Man höre z. B. was Herr Prof. Ul-
richs von Arachoba erzählt:
„Arachoba ist ein Ort, wo das Leben des griechischen Land-
volkes mit seinen schöneren Eigentbümlichkeiten hervortritt. Un-
abhängig und wohlhabend, mit rüstiger Gesundheit ausgestattet,
leben die Arachobiten den Sommer über bald in den luftigen Hoch-
thälern ihre Aecker besteilend und ihre Heerden weidend, bald an
den Abhängen des Parnasses ihre Weingärten pflegend. Im Win-
ter, von Schnee umstöbert und von nordischer Kälte umweht, zieht
sich Jeder an den gemüthlicheu Heerd zurück. Häutige Festver-
einigungen und die lebhafte öffentliche Feier von Hochzeiten und
anderen sonst häuslichen Festen, besonders aber die uralte Sitte,
in grossen Chören zu tanzen und den Takt mit Gesang zu be-
gleiten, machen die Poesie zum Bedürfniss. Unzählige dichte-
rische Produkte keimen wie Frühlingspflanzen auf, und gehen wie-
der unter, während einige ausgezeichnete Liederlich länger er-
halten und weiter verbreiten, ohne dass man sich je um den Na-
men dessen bekümmert, der sie zuerst sang. Wem ein guter
Gedanke, eine treffende Wendung einfällt, setzt sie singend hinzu,
und so wächst oft ein Gedicht im Munde des Volks an, und er-
hält eine gerundete und vollendete Form, von der es vielleicht bei
der ersten Improvisation ziemlich weit entfernt war. Wrie von den
Homerischen Gedichten, kann man von den neugriechischen sa-
gen, dass ein ganzes Volk an ihnen mitarbeitet, und sie zu wah-
ren Volksliedern stempelt; nur fehlt den letzteren ein grosses
Thema, welches die Verknüpfung möglich macheu könnte.“ -—

(Der Beschluss folgt.1
 
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