Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
N°. 12.

HEIDELBERGER

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Sfr miss: Leben Jesu, und Ammon: Fortbildung des
Christenthums.
(^Beschluss. J
Das Christenthum ist eine Volksreligion, sollte es seyn und
muss es hleiben. Der hohe Character Christi, die Reinheit seines
Wandels, die völlige und nie ermüdende Aufopferung seiner seihst,
seine stets aus der lebendigsten Ueberzeugung strömende Rede,
die Vortrefflichkeit und die Fasslichkeit seiner sittlichen Vorschrif-
ten begründen seinen Beruf für den Gebildeten wie für den Un-
gebildeten. Alles Uebrige, wie auch seine Wunderthaten, sind
Nebenrücksichten und ausserwesentlieh.
Die wahre Lehre Christi liegt in seinen eigenen Worten und
in seinem Beispiele, sie steht mit der menschlichen Vernunft und
der höhern menschlichen Empfindung im schönsten Einklänge, sie
belebt und beruhigt sie zugleich.
Dass nach der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts der
Kirche und schon früher, aus Zeituraständen , Einwirkung philo-
sophischer Schulen, menschlichen Leidenschaften und Interessen,
in ihren Lehrbegriff und ihre Disciplin viele Neuerungen eingeführt
worden sind, welche der eigentlichen Lehre Christi an sich und
wie sie in den ersten Zeiten des Christenthums verstanden worden
ist, nicht gemäss waren, ist aus der Kirchengesehichte und gu-
tentheils im Publicum zu bekannt, um es nicht frei auszusprechen.
Die sich ergebende Folgerung ist einleuchtend. Die so wichtige
Einheit der protestantischen Kirche und der Protestanten hängt
von einer nothwendig gewordenen Läuterung ab, welche den
Gebildeten und den Ungebildeten gleich willkommen seyn und die
allgemeine Verbreitung der christlichen Religion sehr erleichtern
würde. Eine innere Lehre für die einen und eine äussere für
die andern ist ein Unding.
Der Einfluss des jetzigen Zustandes auf den Secten-Geist
ist leider sehr natürlich. Der religiöse Geist kann weder für den
Verstand, noch für die Empfindung in den neuern philosophisch-
XXXIV. Jabrg. 2. Doppelheft. 12
 
Annotationen