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Elliscn: Thee und Asphodelosblüten.

Dasselbe Lied, welches nur eben erwähnt worden ist, findet
sich auch mit bedeutenden Abweichungen, ■— zum Beweise, wie
solche Lieder im Munde des Volkes verschiedene Gestalten an-
nehmen, — und in einer minder gelungenen Uebersetzung in ei-
ner Sammlung von eigenen und übersetzten Gedichten, die un-
längst unter dem Titel erschienen ist:
Thee und Asphodelosblüten. Chinesische, neugriechische und andere Ge-
dichte (,) herausgegeben von Adolf Ellisen. Mit 5 lithogr. Ab-
bildungen. Göttinyen, bei Vandenhöck und Ruprecht. 1840. 226 S. 8.
Es finden sich hier auch noch andere neugriechische Gedichte,
in denen die Sage vom Charos wiederholt hervortritt. Das eine
dieser Gedichte ist merkwürdig, weil es den Charos nicht als
einen Schilfer, sondern als einen Reiter darstellt, so dass man
fast geneigt sein möchte, den Charos oder Charondas der Neu-
griechen für eine vom Charon der Alten durchaus verschiedene
Person zu halten. Ich will es hier folgen lassen, weil es dazu
dienen wird, die Frage zu beantworten, in wie weit Herr Prof.
Ulrichs von dieser Charossage mit Recht auf einen directen Zu-
sammenhang der Neugriechen mit den Altgriechen geschlossen
habe. Es lautet (S. 84):
Charos und die Seelen.
Wie dort so schwarz die Berge stehn, wie sie so düster ragen!
Mag sie der Sturmwind peitschen wohl? Mag sie der Regen schlagen?
Nein, nicht der Sturmwind kann sie so und nicht der Regen quälen;
Der Todesengel kommt vorbei mit abgeschiedenen Seelen.
Ihm schweben Jünglinge voran, im Rücken schweben Greise,
Auf seinem Sattel Kiudlein zart, geordnet reihenweise.
Die Greise bitten flehend ihn, die Knaben auf den Knieen,
,.Mein Charo! lass im Dorf, lass uns am kühlen Quell verziehen.
Dass sich am Spiel die Jugend freu’, die Greis’ am Trunk erquicken,
Das Blümchen auf der bunten Au’ die zarten Kindlein pflücken •
— „Nicht lass ich euch im Dorf verziehen, nicht an der kühlen Quelle!
Die Mütter kommen mit dem Krug zum Brunnen klar und helle;
Das Mutterauge würde schnell die Kindlein dort erkennen;
Die Gatten fänden wieder sich — Wer könnt’ auf’s Neu’ sie trennen ?“
Aehnlich erscheint der Todesengel in einem anderen Gedichte,
welches als eine Parallele zu Bürger’s Lenore gewiss gerne ge-
lesen werden wird. Es lautet (S. 101):
Die n äc h tl i c h e R e i se.
Es hat eine Mutter der Söhne neun.
Neun Söhn’ und ein einiges Töchterlein.
 
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