DOI Heft:
Nr. 32
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.42693#0025
Kr. 32. HEIDELBERÖER 1848.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Zur Geschichte des deutschen Befreiungs-
krieges.
(Schluss.)
Das bekannte Schimpfwort des getäuschten Kaisers zu Dresden:
„Ah, Metternich, combien l’Angleterre vous a donne pour vous decider ä
jouer ce röle contre moi?“ fand dadurch die bitterste Strafe, dass der
geschmähte Minister den Hut des zornigen Soldatenkaisers nicht aufhob.
(S. Lebensbilder aus dem Befreiungskriege, III. 490.} Unwürdiges Rache-
gefühl gab denn später der Bestechungsgeschichte einigen Curs und ver-
gass den bedeutenden Dienst, welchen der Staatsmann dem Kampfe der
Verbündeten durch geschickte Benutzung der Umstände geleistet hatte.
Napoleon wurde der Betrogene (Dupe} seiner eigenen «List. Und wenn
er, wie Herr von Martens meldet fS. 187}, auf die Kunde von Oester-
reichs Kriegserklärung ausrief: „desto besser, Europa wird sich umwäl-
zen!“ Q’Europe se revoltera}: so wurde auch dieses Wort nicht in sei-
nem Sinne erfüllt. Das alte, commerziell- industrielle Europa stehet auf
festen Füssen, selbst wenn der Kopf von Revolutionen träumt; es ändert
die Form, nicht den Kern oder die Wesenheit. — Die letzten Abschnitte
des Buchs drehen sich meistens um die persönlichen Schicksale des Ver-
fassers, welcher genöthigt, sein Vaterland ob der oppositionellen Richtung
für immer zu räumen, Deutschland, die Schweiz, Frankreich, England und
selbst Algier besucht, überall, wenn er rasten will, von einem neidischen
Dämon aufgescheucht und zur Flucht genöthigt im nicht ganz verschul-
deten Unglück, so zu sagen, heimatlos endigt. Man wird nicht ohne Rüh-
rung die wechselnden Irrsale eines Mannes lesen, welcher bei allem Talent
und Muth nirgends eine feste, bürgerliche Stellung finden konnte, das
Opfer eigener Missgriffe und fremder Umtriebe, ein Gemisch des Aben-
teurers und unverdient Leidenden. Die Hauptursache davon lag wohl in
mangelhafter Erziehung; der fähige, vorstrebende Mann richtete nicht früh-
zeitig genug seine Kräfte auf ein Lebensziel und entbehrte der schweren
Kunst, sich selbst zu beherrschen. An diesen Klippen sind schon Tau-
sende gescheitert, welchen weder Fähigkeiten noch Charakter für das
XLI. Jahrg. 4. Doppelheft. 32
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Zur Geschichte des deutschen Befreiungs-
krieges.
(Schluss.)
Das bekannte Schimpfwort des getäuschten Kaisers zu Dresden:
„Ah, Metternich, combien l’Angleterre vous a donne pour vous decider ä
jouer ce röle contre moi?“ fand dadurch die bitterste Strafe, dass der
geschmähte Minister den Hut des zornigen Soldatenkaisers nicht aufhob.
(S. Lebensbilder aus dem Befreiungskriege, III. 490.} Unwürdiges Rache-
gefühl gab denn später der Bestechungsgeschichte einigen Curs und ver-
gass den bedeutenden Dienst, welchen der Staatsmann dem Kampfe der
Verbündeten durch geschickte Benutzung der Umstände geleistet hatte.
Napoleon wurde der Betrogene (Dupe} seiner eigenen «List. Und wenn
er, wie Herr von Martens meldet fS. 187}, auf die Kunde von Oester-
reichs Kriegserklärung ausrief: „desto besser, Europa wird sich umwäl-
zen!“ Q’Europe se revoltera}: so wurde auch dieses Wort nicht in sei-
nem Sinne erfüllt. Das alte, commerziell- industrielle Europa stehet auf
festen Füssen, selbst wenn der Kopf von Revolutionen träumt; es ändert
die Form, nicht den Kern oder die Wesenheit. — Die letzten Abschnitte
des Buchs drehen sich meistens um die persönlichen Schicksale des Ver-
fassers, welcher genöthigt, sein Vaterland ob der oppositionellen Richtung
für immer zu räumen, Deutschland, die Schweiz, Frankreich, England und
selbst Algier besucht, überall, wenn er rasten will, von einem neidischen
Dämon aufgescheucht und zur Flucht genöthigt im nicht ganz verschul-
deten Unglück, so zu sagen, heimatlos endigt. Man wird nicht ohne Rüh-
rung die wechselnden Irrsale eines Mannes lesen, welcher bei allem Talent
und Muth nirgends eine feste, bürgerliche Stellung finden konnte, das
Opfer eigener Missgriffe und fremder Umtriebe, ein Gemisch des Aben-
teurers und unverdient Leidenden. Die Hauptursache davon lag wohl in
mangelhafter Erziehung; der fähige, vorstrebende Mann richtete nicht früh-
zeitig genug seine Kräfte auf ein Lebensziel und entbehrte der schweren
Kunst, sich selbst zu beherrschen. An diesen Klippen sind schon Tau-
sende gescheitert, welchen weder Fähigkeiten noch Charakter für das
XLI. Jahrg. 4. Doppelheft. 32