Ir. 51. HEIDELBERGER 1848.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
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Das Recht des Besitzes im Mittelalter und in der Gegenwart, von Dr.
Carl Georg Bruns, Professor in Tübingen. Tübingen, Verlag der
H. Laupp'schen Buchhandlung.
Der Unterzeichnete hat lange vorausgesehen, dass die im neun-
zehnten Jahrhundert erwachte Bestrebung, Alles auch in materieller Hin-
sicht auf das römische Recht zurückzuführen, eine verkehrte sei, dass das
römische Recht nur die Universalität habe, eine abstracte Technik für die
Rechte aller Nationen zu gewähren, damit für alle Völker eine einzige
Rechtssprache sei — so dass das römische Recht da jus gentium aber
nur in formeller Hinsicht, das Recht formeller Begriffe ist: er hat einge-
sehen, dass theils die Philosophie unserer Tage, was namentlich der so*
genannten historischen Schule in Deutschland vorzuwerfen ist, theils die
germanistische Beimischung des Materials im Wege des materiellen Natur-
rechts oder materiellen Begriffsrechts, welches als usus modernus anzu-
sehen sei, die verführenden Künste unserer Wissenschaft sind: er hat be-
merkt, dass neben der Geschichte ein Recht der Gegenwart sein müsse
— keine sogenannten Pandecten, kein deutsches gemeines Privatrecht
(beides sind nur Theorien), sondern wo ein Gesetzbuch nicht besteht, die
andern unmittelbar geltenden Quellen des Particularrechts: und er freut
sich, in unserer so furchtbar erregten Zeit, dass der Geist auch hier sei-
nen Durchbruch feiert, und zwar
1) indem sich die Geschichte des Mittelalters und daraus die Ge-
schichte der Gegenwart bildet,
2) dass selbst Germanisten einsehen, wie das gemein deutsche Pri-
vatrecht nur die letzte Periode in der geschichtlichen Auffassung des ger-
manistischen Rechts sei, dagegen das wirklich praktische in den Particu-
larrechten liege:
und zur Nachweisung dieser Ansichten führen wir in der ersten
Beziehung das eben zu recensirende Buch, in der andern Beziehung aber
das deutsche Privatrecht von Gerber und die von demselben vorausge-
gangene Dissertation, sowie die vielen particularrechtlichen Sammlungen
der neuesten Zeit Über sächsisches, mecklenburgisches und würtember-
gisches Recht an.
Dass wir damit nicht erst heute so denkeu, hätte schon unser Hand*
XLI, Jahrg. 6. Doppelheft. 51
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
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Das Recht des Besitzes im Mittelalter und in der Gegenwart, von Dr.
Carl Georg Bruns, Professor in Tübingen. Tübingen, Verlag der
H. Laupp'schen Buchhandlung.
Der Unterzeichnete hat lange vorausgesehen, dass die im neun-
zehnten Jahrhundert erwachte Bestrebung, Alles auch in materieller Hin-
sicht auf das römische Recht zurückzuführen, eine verkehrte sei, dass das
römische Recht nur die Universalität habe, eine abstracte Technik für die
Rechte aller Nationen zu gewähren, damit für alle Völker eine einzige
Rechtssprache sei — so dass das römische Recht da jus gentium aber
nur in formeller Hinsicht, das Recht formeller Begriffe ist: er hat einge-
sehen, dass theils die Philosophie unserer Tage, was namentlich der so*
genannten historischen Schule in Deutschland vorzuwerfen ist, theils die
germanistische Beimischung des Materials im Wege des materiellen Natur-
rechts oder materiellen Begriffsrechts, welches als usus modernus anzu-
sehen sei, die verführenden Künste unserer Wissenschaft sind: er hat be-
merkt, dass neben der Geschichte ein Recht der Gegenwart sein müsse
— keine sogenannten Pandecten, kein deutsches gemeines Privatrecht
(beides sind nur Theorien), sondern wo ein Gesetzbuch nicht besteht, die
andern unmittelbar geltenden Quellen des Particularrechts: und er freut
sich, in unserer so furchtbar erregten Zeit, dass der Geist auch hier sei-
nen Durchbruch feiert, und zwar
1) indem sich die Geschichte des Mittelalters und daraus die Ge-
schichte der Gegenwart bildet,
2) dass selbst Germanisten einsehen, wie das gemein deutsche Pri-
vatrecht nur die letzte Periode in der geschichtlichen Auffassung des ger-
manistischen Rechts sei, dagegen das wirklich praktische in den Particu-
larrechten liege:
und zur Nachweisung dieser Ansichten führen wir in der ersten
Beziehung das eben zu recensirende Buch, in der andern Beziehung aber
das deutsche Privatrecht von Gerber und die von demselben vorausge-
gangene Dissertation, sowie die vielen particularrechtlichen Sammlungen
der neuesten Zeit Über sächsisches, mecklenburgisches und würtember-
gisches Recht an.
Dass wir damit nicht erst heute so denkeu, hätte schon unser Hand*
XLI, Jahrg. 6. Doppelheft. 51