jr. 46. HEIDELBERGER 1848.
JAHRBÜCHER DER 1ITERATÜR.
Russegger, Meisen.
(Schluss.)
Die Armuth unter diesen Leuten ist sehr gross, sie erhalten sich
zum grossen Theil nur vom Verkauf von Rosenkränzen, Pilgermuscheln,
Krucifixen aus Perlenmutter, Trinkschalen aus erdigem Asphalt vom todten
Meere gedrechselt und dergleichen Gegenständen, von denen doch jeder
Pilger etwas zur Erinnerung mit nach Hause bringt. Das Erdbeben vom
1. Januar 1837 brachte neues Unglück über die Stadt und als ich daher
zwischen den stehen gebliebenen Hütten, theils ganz, theils halb in die
Erde vergraben, voll Rauch^ Ungeziefer und Gestank, hinritt, machte Beth-
lehem auf mich den Eindruck des tiefsten Elendes.“ — Keine erfreulichen
Nachrichten harrten Russegger’s, als er am Kloster um gastliche Aufnahme
ansprach: „wir haben hier die Pest,“ waren die ersten Worte, die ihn
unangenehm überraschten. Er verweilte indess doch fast zwei Tage in
Bethlehem und besuchte alle jene Orte, woran sich religiöse Erinnerungen
knüpfen.
Das Bild, welches der Verf. von Bethlehem gegeben, lässt sich im
Allgemeinen auch auf Palästinas Hauptstadt (wohin er zunächst sich be-
gab) und auf viele andere Orte im Orient anwenden. Aus gewisser Ent-
fernung gesehen gewährt Jerusalem mit seinen vielen Minarets und Kuppeln
einen grossartigen Anblick; im Innern herrscht allenthalben Unreinlichkeit,
Elend und Armuth. Auch in Jerusalem versäumte Russegger nicht, alle
heiligen Plätze zu besuchen, und genoss von der Höhe des Oelberges
den herrlichen Ueberblick auf die einst so berühmte Stadt. Ueberdies
unternahm er einen Ausflug nach Richa (Jericho) im Jordanthale. Nach
den sorgfältigen Untersuchungen unseres Verfassers liegt Richa 717 Par.
Fuss unter dem Niveau des mittelländischen Meeres, demnach in jener
merkwürdigen Bodenvertiefung, welche einen beträchtlichen Theil Palä-
stinas umfasst, namentlich das ganze Becken des todten Meeres und das
Jordanthal bis zum See von Tiberias oder Genesaret; der Spiegel des
todten Meeres liegt 1341 Par. Fuss unter dem des mittelländischen Meeres.
XLI. Jahrg. 5. Doppelheft. 46
JAHRBÜCHER DER 1ITERATÜR.
Russegger, Meisen.
(Schluss.)
Die Armuth unter diesen Leuten ist sehr gross, sie erhalten sich
zum grossen Theil nur vom Verkauf von Rosenkränzen, Pilgermuscheln,
Krucifixen aus Perlenmutter, Trinkschalen aus erdigem Asphalt vom todten
Meere gedrechselt und dergleichen Gegenständen, von denen doch jeder
Pilger etwas zur Erinnerung mit nach Hause bringt. Das Erdbeben vom
1. Januar 1837 brachte neues Unglück über die Stadt und als ich daher
zwischen den stehen gebliebenen Hütten, theils ganz, theils halb in die
Erde vergraben, voll Rauch^ Ungeziefer und Gestank, hinritt, machte Beth-
lehem auf mich den Eindruck des tiefsten Elendes.“ — Keine erfreulichen
Nachrichten harrten Russegger’s, als er am Kloster um gastliche Aufnahme
ansprach: „wir haben hier die Pest,“ waren die ersten Worte, die ihn
unangenehm überraschten. Er verweilte indess doch fast zwei Tage in
Bethlehem und besuchte alle jene Orte, woran sich religiöse Erinnerungen
knüpfen.
Das Bild, welches der Verf. von Bethlehem gegeben, lässt sich im
Allgemeinen auch auf Palästinas Hauptstadt (wohin er zunächst sich be-
gab) und auf viele andere Orte im Orient anwenden. Aus gewisser Ent-
fernung gesehen gewährt Jerusalem mit seinen vielen Minarets und Kuppeln
einen grossartigen Anblick; im Innern herrscht allenthalben Unreinlichkeit,
Elend und Armuth. Auch in Jerusalem versäumte Russegger nicht, alle
heiligen Plätze zu besuchen, und genoss von der Höhe des Oelberges
den herrlichen Ueberblick auf die einst so berühmte Stadt. Ueberdies
unternahm er einen Ausflug nach Richa (Jericho) im Jordanthale. Nach
den sorgfältigen Untersuchungen unseres Verfassers liegt Richa 717 Par.
Fuss unter dem Niveau des mittelländischen Meeres, demnach in jener
merkwürdigen Bodenvertiefung, welche einen beträchtlichen Theil Palä-
stinas umfasst, namentlich das ganze Becken des todten Meeres und das
Jordanthal bis zum See von Tiberias oder Genesaret; der Spiegel des
todten Meeres liegt 1341 Par. Fuss unter dem des mittelländischen Meeres.
XLI. Jahrg. 5. Doppelheft. 46