fr. 43. HEIDELBERGER I84B.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Memoires de Roverea.
(Schluss.)
Diese unentbehrliche, aber schwierige Eigenschaft jedes geschicht-
lichen Referenten tritt z. B. bei der Schilderung des am 3. Dezember 1799
zu Augsburg verstorbenen Schultheissen Friedrich von Steiger hervor. Der
Verf. beschränkt die unbedingte Lobpreisung, welche Johann Müller kurz
vorher dem Bernischen Staatsoberhaupt gespendet hat, etwa also: „Er
kannte besser die Welt als die Menschen; er beurtheilte zwar richtig das
Ziel der französischen Revolution von ihrem Ursprünge an, aber theilte
hinsichtlich einer raschen und leichten Reaktion die treulosen Täuschungen
der Emigranten; zugänglich der Schmeichelei, gab er Manchem zwar nicht
das schwer eingeräumte Vertrauen, wohl aber unverdienten Schutz; bis
zum Uebermass vorsichtig, gebrauchte er, aus Furcht durch die Ungunst
eines hochgestellten Mannes der gemeinen Sache zu schaden, nicht immer
den Einfluss der ihm (Steiger) gebührenden Achtung; übertriebene Be-
hutsamkeit oder unzeitige Offenheit sonderten ihn bisweilen von Menschen
ab, welche ihm hätten nützlich seyn können, und minderten das Gute,
welches er hätte thun können; auch beklagte man es oft, dess er eine
kostbare Zeit durch überflüssige Abschweifungen verlor, z. B. bei dem
Erzherzog, welcher oft darüber sich beschwerte, und dass er trotz der
zitternden Hand und des kurzen Gesichts Alles selbst niederschreiben wollte
und dadurch seinen Briefwechsel in mannigfaltige Unordnung brachte.tf
(S. 389.) Ferner bemerkt Roverea, dass Steiger ausschliesslich in Wien,
Berlin und Deutschland den Schweizer zeigte, aber in Zürich sich fast nur
mit der Wiederherstellung seines Kantons beschäftigte und dabei oft äus-
serte, dass er nach der Befreiung der Schweiz mit den Seinigen auswan-
dern werde; denn das alte Bern sey für immer aufgelöst. Darnach folgt
eine genaue Schilderung der Lebensart und Haltung des letzten alt-ber-
nischen Schultheissen. „Auf der Reise, heisst es neben Auderm, trug er
einen blauen Frack, den schwarzen Adlerorden, eine fleischfarbene Weste
mit vergoldeten Knöpfen, Kourierstiefeln und einen dreieckigen Hut, unter
welchem das dünne, graue Haar hervortrat. Das Alles gab ihm einige
Aehnlichkeit mit dem hochseligen König Friedrich II. von Preussen, dessen
XLI. Jahrg. 5. Doppelheft. 43
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Memoires de Roverea.
(Schluss.)
Diese unentbehrliche, aber schwierige Eigenschaft jedes geschicht-
lichen Referenten tritt z. B. bei der Schilderung des am 3. Dezember 1799
zu Augsburg verstorbenen Schultheissen Friedrich von Steiger hervor. Der
Verf. beschränkt die unbedingte Lobpreisung, welche Johann Müller kurz
vorher dem Bernischen Staatsoberhaupt gespendet hat, etwa also: „Er
kannte besser die Welt als die Menschen; er beurtheilte zwar richtig das
Ziel der französischen Revolution von ihrem Ursprünge an, aber theilte
hinsichtlich einer raschen und leichten Reaktion die treulosen Täuschungen
der Emigranten; zugänglich der Schmeichelei, gab er Manchem zwar nicht
das schwer eingeräumte Vertrauen, wohl aber unverdienten Schutz; bis
zum Uebermass vorsichtig, gebrauchte er, aus Furcht durch die Ungunst
eines hochgestellten Mannes der gemeinen Sache zu schaden, nicht immer
den Einfluss der ihm (Steiger) gebührenden Achtung; übertriebene Be-
hutsamkeit oder unzeitige Offenheit sonderten ihn bisweilen von Menschen
ab, welche ihm hätten nützlich seyn können, und minderten das Gute,
welches er hätte thun können; auch beklagte man es oft, dess er eine
kostbare Zeit durch überflüssige Abschweifungen verlor, z. B. bei dem
Erzherzog, welcher oft darüber sich beschwerte, und dass er trotz der
zitternden Hand und des kurzen Gesichts Alles selbst niederschreiben wollte
und dadurch seinen Briefwechsel in mannigfaltige Unordnung brachte.tf
(S. 389.) Ferner bemerkt Roverea, dass Steiger ausschliesslich in Wien,
Berlin und Deutschland den Schweizer zeigte, aber in Zürich sich fast nur
mit der Wiederherstellung seines Kantons beschäftigte und dabei oft äus-
serte, dass er nach der Befreiung der Schweiz mit den Seinigen auswan-
dern werde; denn das alte Bern sey für immer aufgelöst. Darnach folgt
eine genaue Schilderung der Lebensart und Haltung des letzten alt-ber-
nischen Schultheissen. „Auf der Reise, heisst es neben Auderm, trug er
einen blauen Frack, den schwarzen Adlerorden, eine fleischfarbene Weste
mit vergoldeten Knöpfen, Kourierstiefeln und einen dreieckigen Hut, unter
welchem das dünne, graue Haar hervortrat. Das Alles gab ihm einige
Aehnlichkeit mit dem hochseligen König Friedrich II. von Preussen, dessen
XLI. Jahrg. 5. Doppelheft. 43