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Oelsner’s Denkwürdig e Ren.

Lausitz, Böhmens u. s. w. dem Reiche der Slaven überantworten. Das
ausschliessliche Nationalitäts - und Sprachprincip, praktisch angewandt,
Würde zur Barbarei führen; kleine Abschnitte der Sprache, hin und her
geschoben, eröffneten überdiess für Muth und Diplomatik ein breites Feld.
— Diese Regel, etwa mit Ausnahme der völkerschaftlichen, Welthistori-
schen Massenbewegung, wie sie z. B. der Untergang des Römerthums
durch die Germanen erfuhr, behält unstreitig im Ganzen für die praktische
Völkerpolitik Gültigkeit. Desshalb ist Oestreich z. B. dermalen verpflich-
tet, die Integrität seiner allmählig gewordenen Föderation um jeden
Preis, selbst auf Kosten der politischen Freiheit, zu behaupten, und
zwar so, dass jede dem Complex angehörige Volkslhümlichkeit gegen-
über der Sprache, Sitte und Cultur den angemessenen, autonomen, nicht
aber souveränen Spielraum bekommt. Auf einer andern Seite müsste
ächte Staatsweisheit Frankreich bestimmen, dem teutschen Element der
ihm einmal einverleibten Landschaften entweder volle Rechnung zu tragen,
oder bei einer etwanigen europäischen Krisis den Rückfall an das Mut-
terland zu gewärtigen. Auch der mehr oder weniger herangesungene
und heranadressirte schleswig-holsteinische Sprachen- und Nationalitätsstreit
wird eine billige und genügende Erledigung finden, wenn die drei oheu
bezeichneten Principien der Gebietserweiterung praktischen Vollzug erhalten-
Im §. 15, überschrieben: Heere, macht Oelsner einen geistvollen
Einwurf gegen das allgemeine Waflfenaufgebot. „Aber wenn“, heisst es,
„jeder Bürger Soldat ist, — entsteht da nicht ein ganz neues Kriegs-
recht? Da kein waffenfähiger Mann ableugnen kann, Recrut zu seyn, so
darf ihn der Feind, wenn er seiner habhaft wird, zum Kriegsgefangenen
machen, und was hält ihn ab, den grössten Theil der männlichen Bevöl-
kerung des eroberten Landes der väterlichen Heimath zu entführen? etc.“
Diese, den Schrei nach Bürgerwehr abkühlende Ansicht hat vollkom-
menen Grund, wenn hinter dem stehenden Heer nicht wie etwa in Preussen
eine tüchtig eingeübte Landwehr, sondern ein ungeschulter, alle Alters-
stufen durcheinander werfender Landsturm Platz findet und die Verthei-
digung mehr belästigt denn erleichtert. Dasselbe möchte von manchen
Theilen der neuesten teutschen Bürgerwehr gelten, welche für den Poli-
zeidienst zu spröde und vornehm, für die Bekämpfung des äussern Fein-
des zu häuslich und zu bequem erscheint. Gegen dergleichen Halbheit
richtete Oelsner auch nur seinen Tadel.
Der letzte Abschnitt handelt von Deutschlands Einheit, deren Be-
dürfniss lebhaft gefühlt, aber im Sinne der rtrenggeschlossenen Einheit
schwerlich befriedigt werde, denn jeder Teutsche sei so zu sagen eine
 
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