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Pröhle: Jahn’s Leben.
litieen hervorsprudelten; sie sind Gedanke und Wirklichkeit, enthal-
ten ein geschichtliches und abstraktes Element in oft verschlungener
Durchdringung und bedürfen eben desshalb eines förmlichen Kom-
mentars, so nahe auch für den einen oder andern Faktor die Zeiten-
wenden liegen. Bei dem allen aber springen tiefe Wahrheiten her-
vor. Dahin gehört z. B. der S. 45 von dem Biographen mitgetheilte
Satz über die Markungen. „Deutschlands Grenzen, lautet er, müs-
sen Scheiden sein, sonst ist es der ewige Wahlplatz, das ewige
Blutfeld aller Weltkriege, das Rüst- und Zeug-, Werbe- und Drill-
haus der Welteroberer, ihr Speicher und ihre Kriegsesse, Weltam-
bos und Welthammer für jeden Riesengeist einer Geissel Gottes.“
•— Letztere kommt jedoch glücklicherweise nicht oft. — Vieles wird
dabei vorgesehen und vorgeschlagen, was später Vollzug erhielt.
So besitzt jetzt die heimische Sprache und Geschichtsforschung ihren
gebührenden Rang, werden in den Kirchen die grossen Herrn laut der
„Stinkgerechtigkeit“ meistens nicht mehr begraben, heissen die frühem
Mamsells Fräulein, hat Luther in Wittenberg sein Denkmal u. s. w.
Ueberbaupt wirkte der rüstige Mann auf alle Weise mit Gleichge-
sinnten durch Tugendbund, Teutschen Verein, Turnplatz und ähn-
liche Agitationen zu Gunsten der zwar bedrängten, aber noch
kriegerischen und feurigen Germania. Denn sie schnupfte damals
keinen Tabak, besuchte selten Schenke und Börse; ihr Dichten und
Sinnen war sittig und ernst. —
Bei der endlichen Volkserhebung (1813) blieb daher auch Nie-
mand neutral; man müsste für oder wider den Feind stehen. Jahn
feierte natürlich nicht; gewissermassen erster Anreger, führte er in
dem Lützow’schen Freikorps, welches hier sorgfälltig nach Zusam- '
mensetzung und That geschildert wird, ein Bataillon, theilte die
Märsche und Beschwerden, die Gefechte und Gefahren, die seltenen
Erholungen und Freuden. Diess geschah namentlich in Bremen,
welches, vom Feinde gereinigt, den nothdürftig herausgeputzten
Lützowern ein solennes Ballfest ausrichtete. Um keinen Preis hätte
in jenen Tagen die alte Hansestadt den 18. Oktober abgeschafft. —
Als Schriftsteller wirkte der künftige Turnvater nach vorläufig gewon-
nener Ruhe für Teutschlands Einheit namentlich durch die Runen-
blätter, welche auch von den Höchsten beifällig aufgenommen
wurden (1814). Sein angeblich erster Aufenthalt in Paris, wo er
die vergessene Jakobinermütze von einer Eisenstange herab genom- ■
men haben soll, ist eben so mythisch oder sagenhaft als das viel-
fach burleske Geplauder und widerliche Renommiren nach dem zwei- 8
ten Einzug der Verbündeten. Hier wäre wohl eine gesunde Kritik
an ihrem Platz gewesen; denn das Ueberschwängliche ist gar zu
stark den Berichten über die Wegnahme des Venedischen Triumpf-
wagens und Rossgespanns aufgedrückt. — Darnach wird nüchterner
erzählt, wie zwischen Turnen, Lehren, Schreiben und häuslicher
Einrichtung dem bereits mehrmals in seinen Wünschen getäuschten
Vaterlandsfreund die Jahre zwischen dem andern Pariser Frieden
Pröhle: Jahn’s Leben.
litieen hervorsprudelten; sie sind Gedanke und Wirklichkeit, enthal-
ten ein geschichtliches und abstraktes Element in oft verschlungener
Durchdringung und bedürfen eben desshalb eines förmlichen Kom-
mentars, so nahe auch für den einen oder andern Faktor die Zeiten-
wenden liegen. Bei dem allen aber springen tiefe Wahrheiten her-
vor. Dahin gehört z. B. der S. 45 von dem Biographen mitgetheilte
Satz über die Markungen. „Deutschlands Grenzen, lautet er, müs-
sen Scheiden sein, sonst ist es der ewige Wahlplatz, das ewige
Blutfeld aller Weltkriege, das Rüst- und Zeug-, Werbe- und Drill-
haus der Welteroberer, ihr Speicher und ihre Kriegsesse, Weltam-
bos und Welthammer für jeden Riesengeist einer Geissel Gottes.“
•— Letztere kommt jedoch glücklicherweise nicht oft. — Vieles wird
dabei vorgesehen und vorgeschlagen, was später Vollzug erhielt.
So besitzt jetzt die heimische Sprache und Geschichtsforschung ihren
gebührenden Rang, werden in den Kirchen die grossen Herrn laut der
„Stinkgerechtigkeit“ meistens nicht mehr begraben, heissen die frühem
Mamsells Fräulein, hat Luther in Wittenberg sein Denkmal u. s. w.
Ueberbaupt wirkte der rüstige Mann auf alle Weise mit Gleichge-
sinnten durch Tugendbund, Teutschen Verein, Turnplatz und ähn-
liche Agitationen zu Gunsten der zwar bedrängten, aber noch
kriegerischen und feurigen Germania. Denn sie schnupfte damals
keinen Tabak, besuchte selten Schenke und Börse; ihr Dichten und
Sinnen war sittig und ernst. —
Bei der endlichen Volkserhebung (1813) blieb daher auch Nie-
mand neutral; man müsste für oder wider den Feind stehen. Jahn
feierte natürlich nicht; gewissermassen erster Anreger, führte er in
dem Lützow’schen Freikorps, welches hier sorgfälltig nach Zusam- '
mensetzung und That geschildert wird, ein Bataillon, theilte die
Märsche und Beschwerden, die Gefechte und Gefahren, die seltenen
Erholungen und Freuden. Diess geschah namentlich in Bremen,
welches, vom Feinde gereinigt, den nothdürftig herausgeputzten
Lützowern ein solennes Ballfest ausrichtete. Um keinen Preis hätte
in jenen Tagen die alte Hansestadt den 18. Oktober abgeschafft. —
Als Schriftsteller wirkte der künftige Turnvater nach vorläufig gewon-
nener Ruhe für Teutschlands Einheit namentlich durch die Runen-
blätter, welche auch von den Höchsten beifällig aufgenommen
wurden (1814). Sein angeblich erster Aufenthalt in Paris, wo er
die vergessene Jakobinermütze von einer Eisenstange herab genom- ■
men haben soll, ist eben so mythisch oder sagenhaft als das viel-
fach burleske Geplauder und widerliche Renommiren nach dem zwei- 8
ten Einzug der Verbündeten. Hier wäre wohl eine gesunde Kritik
an ihrem Platz gewesen; denn das Ueberschwängliche ist gar zu
stark den Berichten über die Wegnahme des Venedischen Triumpf-
wagens und Rossgespanns aufgedrückt. — Darnach wird nüchterner
erzählt, wie zwischen Turnen, Lehren, Schreiben und häuslicher
Einrichtung dem bereits mehrmals in seinen Wünschen getäuschten
Vaterlandsfreund die Jahre zwischen dem andern Pariser Frieden