Streuber: Sinope.
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aus dem Obigen von selbst ergibt, die verschiedensten Phasen der
Cultur durchlaufen und so ziemlich an allen Haupterscheinungen
des Hellenischen Geisteslebens Theil genommen. Man findet fast
keine Kunst und Wissenschaft, zu welcher nicht der Geburtsort des
berühmten Sonderlings Diogenes Beiträge eingeliefert hätte. Freilich
sind diese bescheiden und ohne Anspruch auf Meisterschaft und Vol-
lendung; denn solchem Grundton, wie ihn etwa Athen anstimmt,
widerstrebte natürlich von vorne herein der überwiegende Charakter
des, „den handgreiflichen oder materiellen Interessen“ zunächst folg-
samen und getreuen Handelsorts mit mehr oder weniger gemischten
Bürgern und Beisassen. Dennoch legen für die daneben gehende
Geistessympathie mannichfaltige Denkmäler Zeugniss ab; üeberlie-
ferungen literarischer Art, Inschriften, Bruchstücke von architekto-
nischen, politischen und technischen Arbeiten reden noch jetzt zu
dem Wanderer und nöthigen ihn, wenn er Gefühl hat, für die end-
liche Beseitigung der lastenden Barbarei wenigstens einen frommen
Stossseufzer auszustossen. — Auch hat bereits, scheint es, der für
Christenthum und Handel gleich empfängliche Britte eine Vorahnung
der militärisch-commerziellen Wichtigkeit des uralten Platzes;
er sucht sich nämlich hier mit Beihülfe der Teutschen Soldknechte
auf Kosten der bewunderten „Baschi Bozucks“, oder Türkischen
Freiwilligen festzusetzen und für längere Anwesenheit „komforta-
bler“ einzurichten. —
Der uralte, in die Gegenwart hineinspielende Pontusplatz ist
also wohl einer Monographie würdig. Diese wird ihm nun durch
das oben genannnte Werkchen in vollem Masse zu Theil; Fleiss,
Gelehrsamkeit und Combinationsgabe haben alles angewandt für die
möglichste Aufhellung des dunkeln Gegenstandes; denn die zerstreu-
ten Nachrichten der klassischen Schriftstellen sind eben so sorgfäl-
tig gesammelt und verglichen als die noch vorhandenen Denkmäler
jeglicher Art und die Erzählungen der neuern und neuesten Reisen-
den von Tournefort an bis auf Hamilton; selbst die orientalische
Philologie hat ihre Beiträge geliefert. Ausschweifungen der Phan-
tasie werden grundsätzlich gemieden, so nahe sie lagen und zu
kühnen Hypothesen verführen konnten; die unvermeidliche Trocken-
heit, welche in dem Aneinanderreihen einzelner Steinchen liegt, zu
mildern, hat der Verfasser bei einzelnen Gelegenheiten wichtige Zeug-
nissstellen des Alterthums mehrmals wörtlich übersetzt und den re-
gelmässigen Text beigefügt, ein Verfahren, welches man nur billi-
gen kann. Wenn dabei nämlich die Gleichmässigkeit der Schreib-
art etwas verliert, so gewinnt andererseits die Solidität der Nach-
richten , worauf hier doch wohl das stärkste Gewicht zu legen ist.
— Das Ganze zerfällt in fünfzehn Abschnitte, welche durch die
annalistisch-chronologische Reihenfolge, so gut es gehen wollte, lose
verbunden sind. Diese Methode blieb bei dem Mangel an zusam-
menhängenden Nachrichten auch wohl allein möglich; denn wer
wollte inmitten der gegenwärtigen Armuth an aitiologischen Nexus,
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aus dem Obigen von selbst ergibt, die verschiedensten Phasen der
Cultur durchlaufen und so ziemlich an allen Haupterscheinungen
des Hellenischen Geisteslebens Theil genommen. Man findet fast
keine Kunst und Wissenschaft, zu welcher nicht der Geburtsort des
berühmten Sonderlings Diogenes Beiträge eingeliefert hätte. Freilich
sind diese bescheiden und ohne Anspruch auf Meisterschaft und Vol-
lendung; denn solchem Grundton, wie ihn etwa Athen anstimmt,
widerstrebte natürlich von vorne herein der überwiegende Charakter
des, „den handgreiflichen oder materiellen Interessen“ zunächst folg-
samen und getreuen Handelsorts mit mehr oder weniger gemischten
Bürgern und Beisassen. Dennoch legen für die daneben gehende
Geistessympathie mannichfaltige Denkmäler Zeugniss ab; üeberlie-
ferungen literarischer Art, Inschriften, Bruchstücke von architekto-
nischen, politischen und technischen Arbeiten reden noch jetzt zu
dem Wanderer und nöthigen ihn, wenn er Gefühl hat, für die end-
liche Beseitigung der lastenden Barbarei wenigstens einen frommen
Stossseufzer auszustossen. — Auch hat bereits, scheint es, der für
Christenthum und Handel gleich empfängliche Britte eine Vorahnung
der militärisch-commerziellen Wichtigkeit des uralten Platzes;
er sucht sich nämlich hier mit Beihülfe der Teutschen Soldknechte
auf Kosten der bewunderten „Baschi Bozucks“, oder Türkischen
Freiwilligen festzusetzen und für längere Anwesenheit „komforta-
bler“ einzurichten. —
Der uralte, in die Gegenwart hineinspielende Pontusplatz ist
also wohl einer Monographie würdig. Diese wird ihm nun durch
das oben genannnte Werkchen in vollem Masse zu Theil; Fleiss,
Gelehrsamkeit und Combinationsgabe haben alles angewandt für die
möglichste Aufhellung des dunkeln Gegenstandes; denn die zerstreu-
ten Nachrichten der klassischen Schriftstellen sind eben so sorgfäl-
tig gesammelt und verglichen als die noch vorhandenen Denkmäler
jeglicher Art und die Erzählungen der neuern und neuesten Reisen-
den von Tournefort an bis auf Hamilton; selbst die orientalische
Philologie hat ihre Beiträge geliefert. Ausschweifungen der Phan-
tasie werden grundsätzlich gemieden, so nahe sie lagen und zu
kühnen Hypothesen verführen konnten; die unvermeidliche Trocken-
heit, welche in dem Aneinanderreihen einzelner Steinchen liegt, zu
mildern, hat der Verfasser bei einzelnen Gelegenheiten wichtige Zeug-
nissstellen des Alterthums mehrmals wörtlich übersetzt und den re-
gelmässigen Text beigefügt, ein Verfahren, welches man nur billi-
gen kann. Wenn dabei nämlich die Gleichmässigkeit der Schreib-
art etwas verliert, so gewinnt andererseits die Solidität der Nach-
richten , worauf hier doch wohl das stärkste Gewicht zu legen ist.
— Das Ganze zerfällt in fünfzehn Abschnitte, welche durch die
annalistisch-chronologische Reihenfolge, so gut es gehen wollte, lose
verbunden sind. Diese Methode blieb bei dem Mangel an zusam-
menhängenden Nachrichten auch wohl allein möglich; denn wer
wollte inmitten der gegenwärtigen Armuth an aitiologischen Nexus,