Schaller: Leib und Seele.
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wendigkeit, sondern als einen durch eigene, innere Energie gestalte-
ten. Der Unterschied zwischen Materialismus und idealistischem Na-
turalismus besteht nur darin, dass der erste Stoff und Kraft bloss
logisch trennt, der zweite dagegen dieselben auch als metaphysisch
geschieden betrachtet.
Beide gehen so von einer verschiedenen Ansicht über das We-
sen der Materie aus: der Materialismus von einer lebendigen Materie,
was in dem Begriff der Identität von Stoff und Kraft ausgedrückt
sein soll; der Idealismus von einer todten Materie, in die er, um
der Erfahrung zu genügen, noch seine ideelle Kraft versenken muss.
Der Unterschied ist daher im Grunde nicht so bedeutend, wie er
zuerst erscheinen mag, und tritt nur in Consequenzsätzen schärfer
hervor. Es ist bei Empirie und Speculation das gleiche Streben zu
bemerken, den Begriff der Materie zu beleben; jedoch behält der
Idealismus den Begriff todter Materie und ergänzt dessen Mangel
durch sein immaterielles Kraftprincip. Merkwürdigerweise bedenkt
aber Sch. diese Basis des Idealismus nicht, sondern sucht dem Ma-
terialismus nachzuweisen, dass er in seinen Consequenzen zu einem
todten Mechanismus führe, welcher der Erfahrung widerstreite, da
er die Erscheinungen des Lebens nicht zu erklären vermöge. Allein
Sch. irrt sehr, wenn er meint, er habe den Materialismus zur Anerken-
nung des Idealismus gezwungen, indem er ihm die Erscheinungen
des Lebens vorhält. Auf diese Thatsache war die neuere Natur-
wissenschaft am wenigsten aufmerksam zu machen. Es war daher
unnöthig weiter auszuführen p. 164, „dass die Materie an und für
sich nicht ein schlechthin passives, unthätiges, bloss räumliches Sein
sei, sondern an jedem Punkte von der Thätigkeit durchdrungen
werde, und diese als ein wesentliches Moment ihrer eigenen Natur
in sich selbst habe“ : denn der Materialismus selbst verlegt in die
Beweglichkeit der Materie das Bewegtsein, in den Begriff des Stof-
fes die Eigenschaft der Kraft, in das Wesen der Materie das
Prädikat des Erfülltseins mit schlechthin unerkennbaren Kräften und
unerforschlichen Eigenschaften, und erklärt sogar in letzter Instanz
p. 37 noch das Bewusstsein für eine Eigenschaft des Stoffes. Schal-
ler begeht also den Irrthum, den Materialismus bis zu einer leblos
mechanischen Erklärungsweise herabzudrücken, und kämpft von die-
ser Seite vergeblich gegen denselben.
Man kann sogar sagen, dass Sch. dem Idealismus selbst die
Basis zertrümmert, indem er den Begriff des Lebens in der Natur
nachzuweisen und ganz besonders indem er den Begriff einer tod-
ten Materie zu vernichten strebt. Nur von dieser Voraussetzung
verlangt Schaller die Annahme einer idealistischen Lebenskraft.
Fällt diese Voraussetzung, — und er sucht sie ja selbst zu stür-
zen, — so erlischt auch zugleich die Nothwendigkeit der An-
nahme einer besonderen, ideellen, sich selbst setzenden Lebenskraft.
Allein auch dem Materialismus geht’s nicht besser. Dadurch dass
der Materialismus die absolute Substanz als lebendige Grundlage
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wendigkeit, sondern als einen durch eigene, innere Energie gestalte-
ten. Der Unterschied zwischen Materialismus und idealistischem Na-
turalismus besteht nur darin, dass der erste Stoff und Kraft bloss
logisch trennt, der zweite dagegen dieselben auch als metaphysisch
geschieden betrachtet.
Beide gehen so von einer verschiedenen Ansicht über das We-
sen der Materie aus: der Materialismus von einer lebendigen Materie,
was in dem Begriff der Identität von Stoff und Kraft ausgedrückt
sein soll; der Idealismus von einer todten Materie, in die er, um
der Erfahrung zu genügen, noch seine ideelle Kraft versenken muss.
Der Unterschied ist daher im Grunde nicht so bedeutend, wie er
zuerst erscheinen mag, und tritt nur in Consequenzsätzen schärfer
hervor. Es ist bei Empirie und Speculation das gleiche Streben zu
bemerken, den Begriff der Materie zu beleben; jedoch behält der
Idealismus den Begriff todter Materie und ergänzt dessen Mangel
durch sein immaterielles Kraftprincip. Merkwürdigerweise bedenkt
aber Sch. diese Basis des Idealismus nicht, sondern sucht dem Ma-
terialismus nachzuweisen, dass er in seinen Consequenzen zu einem
todten Mechanismus führe, welcher der Erfahrung widerstreite, da
er die Erscheinungen des Lebens nicht zu erklären vermöge. Allein
Sch. irrt sehr, wenn er meint, er habe den Materialismus zur Anerken-
nung des Idealismus gezwungen, indem er ihm die Erscheinungen
des Lebens vorhält. Auf diese Thatsache war die neuere Natur-
wissenschaft am wenigsten aufmerksam zu machen. Es war daher
unnöthig weiter auszuführen p. 164, „dass die Materie an und für
sich nicht ein schlechthin passives, unthätiges, bloss räumliches Sein
sei, sondern an jedem Punkte von der Thätigkeit durchdrungen
werde, und diese als ein wesentliches Moment ihrer eigenen Natur
in sich selbst habe“ : denn der Materialismus selbst verlegt in die
Beweglichkeit der Materie das Bewegtsein, in den Begriff des Stof-
fes die Eigenschaft der Kraft, in das Wesen der Materie das
Prädikat des Erfülltseins mit schlechthin unerkennbaren Kräften und
unerforschlichen Eigenschaften, und erklärt sogar in letzter Instanz
p. 37 noch das Bewusstsein für eine Eigenschaft des Stoffes. Schal-
ler begeht also den Irrthum, den Materialismus bis zu einer leblos
mechanischen Erklärungsweise herabzudrücken, und kämpft von die-
ser Seite vergeblich gegen denselben.
Man kann sogar sagen, dass Sch. dem Idealismus selbst die
Basis zertrümmert, indem er den Begriff des Lebens in der Natur
nachzuweisen und ganz besonders indem er den Begriff einer tod-
ten Materie zu vernichten strebt. Nur von dieser Voraussetzung
verlangt Schaller die Annahme einer idealistischen Lebenskraft.
Fällt diese Voraussetzung, — und er sucht sie ja selbst zu stür-
zen, — so erlischt auch zugleich die Nothwendigkeit der An-
nahme einer besonderen, ideellen, sich selbst setzenden Lebenskraft.
Allein auch dem Materialismus geht’s nicht besser. Dadurch dass
der Materialismus die absolute Substanz als lebendige Grundlage