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Horatius Flaccus sämmtliche Werke, von Günther.

Ererbte Fluren baut mit eignen Heerden,
Von schnödem Wuchersinn befreit;
Den nicht erschreckt der Schlacht-Drommete Laut,
Der nicht erzittert vor dem Zorn der Wellen,
Das Forum nicht, und nicht die Schwellen
Der Grossen dieser Erde schaut!
Ihn freut es mit dem schlanken Pappelbaum
Den Reben-Schössling zu vermählen,
Und an des Thales, des gekrümmten, Saum
Der Rinder Schaar zu überzählen,
Jetzt von dem Ast das dürre Reis zu schneiden,
Und einzuimpfen edlen Keim,
Jetzt in das reine Fass zu pressen Honigseim,
Jetzt zarte Lämmer zu entkleiden. —
Wenn nun der Herbst, mit reifem Obst bekränzt
Das Haupt erhebt: wie gross ist sein Entzücken,
Die Traube, die wie Purpur glänzt,
Die Birne, die er selbst geimpft, zu pflücken:
Damit er dir, der seine Grenzen deckt,
Sylvan, und dir, Priap, sie reiche.
Bald ruht im weichen Moos er hingestreckt,
Bald unter einer heilgen Eiche.
Er hört der Sänger Chor im Hain,
Er hört den Sturz der Felsenquelle;
Es murmelt sanft des Baches Welle,
Und ladet ihn zum Schlummer ein.
Um aus den Episteln ebenfalls eine Probe zu geben, nehmen wir aufs
Geradewohl die Stelle aus der Ars poetica Vrs. 38 ff.
Wollet ihr dichten, so wählt euch Stoff, der den Kräften gemäss ist;
Prüfet zuvörderst genau, was die Schultern zu tragen vermögen,
Was sie verweigern. Wer mächtig des Stoffs ist, welchen er wählte,
Dem fehlt’s nimmer an Worten, an Klarheit nicht und an Ordnung.
Irr’ ich mich nicht, so beruht das Verdienst und das Schöne der Ordnung
Darin, dass man sogleich Das sage, was jetzt an der Zeit ist,
Andres hingegen verspare zum schicklichen spätem Gebrauche.
Wer ein Gedicht uns verheisst, sei ferner in Fügung der Worte
Fein und behutsam; er wähle sich diess, er verwerfe das andre.
Wer alltägliches Wort durch sinnige Stellung zum neuen
Umformt, redet gewählt. — Wenn aber die Noth es erfordert,
Dinge, die Keiner erforscht, mit bezeichnenden Namen zu nennen,
Dann ist Worte zu schaffen vergönnt, die die bärtigen Alten
Nimmer gehört; nur werde bescheiden genützt die Erlaubnis^.
 
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