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Carus: Organon der Erkenntniss. 195
fach ist, ist der von Carus eingenommene höchst schwierig heraus-
zufinden durch das Schwanken und das Ungeordnete in den Begriffen.
Wie die Natur des Gefühls mangelhaft untersucht und unklar ge-
blieben ist, ebenso der Hervorgang der höheren Vernunftanschauung
aus derselben, und endlich die Processe, durch welche diese zu ob-
jektiver Wahrheit gelangt. Wir hören zwar, dass in unserm Be-
wusstsein ein Dualismus von Kennen oder Verstandeserkenntniss und
von Erkennen oder Vernunfterkenntniss vorhanden sein soll, von
welchen uns das erstere die Dinge als Besondere oder als Erschei-
nungen, das zweite als Allgemeinheiten oder als Wesenheiten erken-
nen lasse. Statt uns aber nun zu zeigen, wie die höhere Vernunft-
erkenntniss die Beschränktheit der auf unmittelbare Wahrnehmung
gestützten Verstandeserkenntniss ergänze und uns das ideale Wesen
der Dinge erkennen lehre, ergeht sich Carus in recht geistreichen
Reflexionen über die Sprache p. 41 ff., welche wir als nicht hier-
her gehörig übergehen.
Carus bricht hier seine Untersuchungen ab. Wir heben nur Eini-
ges von dem Ferneren hervor, in welchem er durch Widersprüche seine
früheren Mängel zu berichtigen sucht und endlich, seinen eigentlichen
Standpunkt im Sinne des zu bekämpfenden, induktiven Wissens mo-
dificirend, zu einer weiteren Verfolgung seines Problemes wieder hin-
gelangt. Wenn Carus nun von einer Gefühls- und Verstandes- oder
Geistessprache redet; so müsste, seinem Princip nach, die Gefühls-
sprache eigentlich die höhere, nämlich diejenige sein, in welcher wir
die idealen Wahrheiten ausdrücken. Allein dem ist nicht so. Die
Gefühlssprache p. 43 wird als eine vollkommen subjektive bezeich-
net und auch den Thieren beigelegt. Die Geistessprache dagegen
p. 45, welche jene verdrängt, beruht auf gewordenen, willkürlichen,
symbolischen Abstraktionen, welche wir als eine abstrakte Rechnung
gebrauchen. — Wenn sich der Verfasser nun die Frage aufwirft, wie
sich die Abstrakta bilden, und woher der Geist jene Aequivalente
nehme, so wird zwar sehr treffend auf „einen gewissen Kreislauf
von aussen nach innen und von innen wieder nach aussen“ p. 47
hingedeutet; allein die erkenntnisstheoretischen Processe, welche sich
in Beziehung zur unmittelbaren Wahrnehmung und zu den natürli-
lichen Bedürfnissen und Trieben des Lebens entwickeln, werden
nicht in Erwägung gezogen. Es wird bemerkt, dass die abstrak-
ten Begriffe sich bei einem Volke am spätesten entwickeln p. 53;
aber ihre Beziehung zur sinnlichen Erkenntniss wird nicht unter-
sucht. Das Denken soll nicht aus dieser, sondern aus der Sprache
hervorgehen p. 59, welche die Dinge aus der realen Welt heraus-
hebe und in die ideale Wirklichkeit des Gedankens überpflanze p. 61.
Hiebei vergisst Carus jedoch, dass dies ein reiner Denkakt ist, der
nur in der Sprache symbolisch sich abbildet. Es wäre zu fragen,
wie sich derselbe bilde; welche Bedeutung er für die gegenständliche
Wahrheit habe; wie man in demselben eine höhere Nothwendigkeit
nachweisen p. 62, das Bleibende, das Gesetz geltend machen und
 
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