322
Rio: Leonard de Vinci et son öcole.
S. 261), und welches jetzt, wie wir durch Herrn Rio erfahren
(S. 334. Anm. 2), im Besitze des Grafen Gaetano Melzi ist, welcher
ihm die Benützung gestattete. Ein andrer allgemeiner Vorzug des
Werkes von Herrn Rio besteht darin, dass er immer, ehe er die
einzelnen Künstler und ihre Arbeiten betrachtet, eine politisch-
historische und culturhistorische Darstellung der Zeit und des Lan-
des gibt, zugleich auch die verwandten Künste der Architektur
und Sculptur in Verbindung mit der Malerei betrachtet. Er gibt
diese Darstellungen auf eine sehr anschauliche Weise, so dass der
Leser über Zustände und historische Personen und ihre Beziehungen
zu der Geschichte der Kunst, eine Reihe von charakteristischen,
interessanten Schilderungen enthält. Vorzugsweise gilt diess von
Mailand; aber eine ähnliche Behandlung finden wir auch bei der
Darstellung der Kunstbestrebungen zu Bergamo und Lodi. Ferner:
die Beurtheilung der Leistungen der Künstler und des Werthes der
Kunstwerke ist von Seiten unsers Verfassers nicht blos selbständig,
durch einen gereiften Geschmack und einen freien Blick unterstützt,
die Betrachtung der christlichen Kunst ist bei ihm auch auf einen
festen christlichen Standpunkt gegründet. Endlich kommt zu diesen
Vorzügen noch die Gabe einer belebten, den Geist anregenden Dar-
stellung , und eine nicht unbedeutende Anzahl von gelegenheitlich
der Behandlung des Hauptgegenstandes beigegebenen Bemerkungen
und Notizen. Wir wollen nun eine kurze Uebersicht des Inhaltes
geben und dabei diejenigen Theile oder Stellen des Buches hervor-
heben, welche uns Stoff zu einer besondern Bemerkung geben.
Das Erste Capitel enthält als Einleitung eine kurze historische
Uebersicht der Mailänder Kunstgeschichte vor und bis auf Leonardo
da Vinci. (Chapitre I. Ecole Lombarde p. 1—35.) Nach der re-
ligiösen und kirchlichen Illustration Mailands durch die dort weilen-
den grossen Kirchenlehrer Ambrosius und Augustinus und nach der
zweiten Illustration durch die gewaltigen Kämpfe, welche Mailand
für seine Freiheit gegen die kaiserliche Macht unternahm, folgt
gleichsam als Ersatz für das Verlorne eine dritte Illustration durch
eine reiche Entwicklung der Kunst in dem vierzehnten und fünf-
zehnten Jahrhundert unter den herrschenden Familien Visconti und
Sforza. Aus dem Kreise der ältesten Mailänder Kunstgeschichte vor
der zuletzt genannten Epoche wird nur auf die Ambrosianische Ba-
silika ein Blick geworfen mit ihren alten Mosaiken und Sculpturen, ■
„welche die Unvollkommenheit ihrer Form durch die Grossartigkeit
der Charaktere ersetzen“, und mit den Resten ihres einst viel rei- «
ehern Kirchenmobiliars. Von Gemälden aus dem XII. und XIII.
Jahrhundert ist zu wenig übrig, um eine genauere Kenntniss der
Mailänder Kunst daraus gewinnen zu können. Aus den noch am
besten erhaltenen Resten an dem alten Thurm des Monastero mag-
giore sieht man jedenfalls, dass hier wie im übrigen Italien die
Kunst einer Erneuerung bedurfte. Diese trat für Mailand ein in
dem vierzehnten Jahrhundert unter Azzo Visconti, der die Stadt
Rio: Leonard de Vinci et son öcole.
S. 261), und welches jetzt, wie wir durch Herrn Rio erfahren
(S. 334. Anm. 2), im Besitze des Grafen Gaetano Melzi ist, welcher
ihm die Benützung gestattete. Ein andrer allgemeiner Vorzug des
Werkes von Herrn Rio besteht darin, dass er immer, ehe er die
einzelnen Künstler und ihre Arbeiten betrachtet, eine politisch-
historische und culturhistorische Darstellung der Zeit und des Lan-
des gibt, zugleich auch die verwandten Künste der Architektur
und Sculptur in Verbindung mit der Malerei betrachtet. Er gibt
diese Darstellungen auf eine sehr anschauliche Weise, so dass der
Leser über Zustände und historische Personen und ihre Beziehungen
zu der Geschichte der Kunst, eine Reihe von charakteristischen,
interessanten Schilderungen enthält. Vorzugsweise gilt diess von
Mailand; aber eine ähnliche Behandlung finden wir auch bei der
Darstellung der Kunstbestrebungen zu Bergamo und Lodi. Ferner:
die Beurtheilung der Leistungen der Künstler und des Werthes der
Kunstwerke ist von Seiten unsers Verfassers nicht blos selbständig,
durch einen gereiften Geschmack und einen freien Blick unterstützt,
die Betrachtung der christlichen Kunst ist bei ihm auch auf einen
festen christlichen Standpunkt gegründet. Endlich kommt zu diesen
Vorzügen noch die Gabe einer belebten, den Geist anregenden Dar-
stellung , und eine nicht unbedeutende Anzahl von gelegenheitlich
der Behandlung des Hauptgegenstandes beigegebenen Bemerkungen
und Notizen. Wir wollen nun eine kurze Uebersicht des Inhaltes
geben und dabei diejenigen Theile oder Stellen des Buches hervor-
heben, welche uns Stoff zu einer besondern Bemerkung geben.
Das Erste Capitel enthält als Einleitung eine kurze historische
Uebersicht der Mailänder Kunstgeschichte vor und bis auf Leonardo
da Vinci. (Chapitre I. Ecole Lombarde p. 1—35.) Nach der re-
ligiösen und kirchlichen Illustration Mailands durch die dort weilen-
den grossen Kirchenlehrer Ambrosius und Augustinus und nach der
zweiten Illustration durch die gewaltigen Kämpfe, welche Mailand
für seine Freiheit gegen die kaiserliche Macht unternahm, folgt
gleichsam als Ersatz für das Verlorne eine dritte Illustration durch
eine reiche Entwicklung der Kunst in dem vierzehnten und fünf-
zehnten Jahrhundert unter den herrschenden Familien Visconti und
Sforza. Aus dem Kreise der ältesten Mailänder Kunstgeschichte vor
der zuletzt genannten Epoche wird nur auf die Ambrosianische Ba-
silika ein Blick geworfen mit ihren alten Mosaiken und Sculpturen, ■
„welche die Unvollkommenheit ihrer Form durch die Grossartigkeit
der Charaktere ersetzen“, und mit den Resten ihres einst viel rei- «
ehern Kirchenmobiliars. Von Gemälden aus dem XII. und XIII.
Jahrhundert ist zu wenig übrig, um eine genauere Kenntniss der
Mailänder Kunst daraus gewinnen zu können. Aus den noch am
besten erhaltenen Resten an dem alten Thurm des Monastero mag-
giore sieht man jedenfalls, dass hier wie im übrigen Italien die
Kunst einer Erneuerung bedurfte. Diese trat für Mailand ein in
dem vierzehnten Jahrhundert unter Azzo Visconti, der die Stadt