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Üaupp: Lex Francoruin Chamavorum.
sichtlich des nach dem Geburtsstande oder der Nationalität in Cap. 7 u. 8
verdreifachten Wehrgeldes des Comes und Missus regius der Fall
sein müsse, obschon es daselbst nicht ausdrücklich gesagt sei. Man
wird einräumen müssen, dass, wenn in den angeführten Stellen des
chamavischen Weisthumes die vorhandenen Lesarten richtig sind, die
von Gaupp gegebene Erörterung die einzige ist, welche die sonst
unerhörte Erscheinung erklären könnte, wie und warum das Wehr-
geld eines freien Antrustio nicht an seine Verwandten, sondern
an den königlichen Fiskus fallen solle. Ich muss aber gestehen, dass
gerade das Unerhörte, die Beispiellosigkeit eines solchen
Hechtsgrundsatzes mich von vornehereiq gegen die Richtigkeit der
vorliegenden Lesart höchst misstrauisch gemacht hat. Bei näherer
Prüfung scheint es mir ganz unmöglich, dass diese Lesart die rich-
tige sei, d. h. den wahren ursprünglichen Text darstellen könne.
Meine Gründe sind theils innere, in der Natur der vorliegenden Ver-?
hältnisse wurzelnde, theils äussere, d. h. durch den Wortlaut der
Stellen selbst hervorgerufen. In ersterer Beziehung ist es gewiss
kaum denkbar, dass sich in einem einzelnen kleinen Landstriche des
grossen Frankenreiches, so zu sagen, in einem Winkel desselben, in
dem seit Jahrhunderten kaum mehr genannten chamavischen Lande,
ein besonderes ßystem über den Umfang der königlichen dienst-
herrlichen Gewalt gebildet haben sollte, welches mit dem notorisch
durch das ganze Frankenreich bestehenden, von einem einigen Mit-
telpunkte, dem Könige, ausgehenden Systeme der Trustis in Wi-
derspruch stände. Ein solches System, auf dem die Staatsregierung
selbst wesentlich beruhte, kann sich nur gleichmässig durch da3
ganze Reich ausgebildet haben, und um da eine Abweichung in
einem einzelnen kleinen Ländchen anzunehmen, müssten noch ganz
andere Beweise beigebracht werden, als die Autorität einer Rechts-?
aufzeichnung, von der weder ihr Verfasser, noch die Bedeutung be-
kannt ist, welche man ihr zur Zeit ihrer Abfassung von Seite der
politischen Gewalten beilegte. Wenn, wie es nach den vorliegenden
Texten angenommen werden müsste, die Antrustionen im Hamalande,
und alle königliche Beamte daselbst, zwar ein verdreifachtes Wehr-
geld, aber nicht das Recht gehabt hätten, dass es ihre Familien er-
hielten, sondern der Fiskus es einzog, welches Interesse hätte da
wohl ein Mann haben können, Trustio zu werden, also seine Familie
um sein bisheriges Wehrgeld zu bringen? Wie kann man glauben, dass
es dem Könige auch nur irgend darum hätte zu thun sein können,
den Familien, aus welchen die Antrustionen höchster Klasse, zu
welchen unzweifelhaft der homo Francus gehörte, und in denen
alsbald der Treuverband zum Könige ein erbliches Standesverhält-
niss (Vasallenstand) wurde, ein Recht zu entziehen, welches, wie
aus den fränkischen Rechtsquellen, z. B. aus L. Sal. emend. 65.
de compositione homicidii auf das Bestimmteste hervorgeht, nicht
bloss ein Recht der Söhne, sondern neben diesen zugleich der
übrigen Familie war ?. (L. Sal. em. 55 „Si dlicujus pater occisus
Üaupp: Lex Francoruin Chamavorum.
sichtlich des nach dem Geburtsstande oder der Nationalität in Cap. 7 u. 8
verdreifachten Wehrgeldes des Comes und Missus regius der Fall
sein müsse, obschon es daselbst nicht ausdrücklich gesagt sei. Man
wird einräumen müssen, dass, wenn in den angeführten Stellen des
chamavischen Weisthumes die vorhandenen Lesarten richtig sind, die
von Gaupp gegebene Erörterung die einzige ist, welche die sonst
unerhörte Erscheinung erklären könnte, wie und warum das Wehr-
geld eines freien Antrustio nicht an seine Verwandten, sondern
an den königlichen Fiskus fallen solle. Ich muss aber gestehen, dass
gerade das Unerhörte, die Beispiellosigkeit eines solchen
Hechtsgrundsatzes mich von vornehereiq gegen die Richtigkeit der
vorliegenden Lesart höchst misstrauisch gemacht hat. Bei näherer
Prüfung scheint es mir ganz unmöglich, dass diese Lesart die rich-
tige sei, d. h. den wahren ursprünglichen Text darstellen könne.
Meine Gründe sind theils innere, in der Natur der vorliegenden Ver-?
hältnisse wurzelnde, theils äussere, d. h. durch den Wortlaut der
Stellen selbst hervorgerufen. In ersterer Beziehung ist es gewiss
kaum denkbar, dass sich in einem einzelnen kleinen Landstriche des
grossen Frankenreiches, so zu sagen, in einem Winkel desselben, in
dem seit Jahrhunderten kaum mehr genannten chamavischen Lande,
ein besonderes ßystem über den Umfang der königlichen dienst-
herrlichen Gewalt gebildet haben sollte, welches mit dem notorisch
durch das ganze Frankenreich bestehenden, von einem einigen Mit-
telpunkte, dem Könige, ausgehenden Systeme der Trustis in Wi-
derspruch stände. Ein solches System, auf dem die Staatsregierung
selbst wesentlich beruhte, kann sich nur gleichmässig durch da3
ganze Reich ausgebildet haben, und um da eine Abweichung in
einem einzelnen kleinen Ländchen anzunehmen, müssten noch ganz
andere Beweise beigebracht werden, als die Autorität einer Rechts-?
aufzeichnung, von der weder ihr Verfasser, noch die Bedeutung be-
kannt ist, welche man ihr zur Zeit ihrer Abfassung von Seite der
politischen Gewalten beilegte. Wenn, wie es nach den vorliegenden
Texten angenommen werden müsste, die Antrustionen im Hamalande,
und alle königliche Beamte daselbst, zwar ein verdreifachtes Wehr-
geld, aber nicht das Recht gehabt hätten, dass es ihre Familien er-
hielten, sondern der Fiskus es einzog, welches Interesse hätte da
wohl ein Mann haben können, Trustio zu werden, also seine Familie
um sein bisheriges Wehrgeld zu bringen? Wie kann man glauben, dass
es dem Könige auch nur irgend darum hätte zu thun sein können,
den Familien, aus welchen die Antrustionen höchster Klasse, zu
welchen unzweifelhaft der homo Francus gehörte, und in denen
alsbald der Treuverband zum Könige ein erbliches Standesverhält-
niss (Vasallenstand) wurde, ein Recht zu entziehen, welches, wie
aus den fränkischen Rechtsquellen, z. B. aus L. Sal. emend. 65.
de compositione homicidii auf das Bestimmteste hervorgeht, nicht
bloss ein Recht der Söhne, sondern neben diesen zugleich der
übrigen Familie war ?. (L. Sal. em. 55 „Si dlicujus pater occisus