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Gaupp: Lex Francorum Chamavorum.

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soll, während doch sonst in dem chamavischen Weisthume z. B.
Cap. 26—29 der Dieb bei furtum den doppelten Werth (duos
geldos, aliud tantum) und bei („involare“) nach Cap. 25 sogar den
neunfachen Werth (novem geldos) bezahlen muss, und dass in Cap. 45
von einer Bestrafung der Lidi, die an dem Raube Theil genommen
haben, gar nicht die Rede ist. Mir scheint die Sache sich so zu
verhalten. Das Prinzip, dass für die gestohlene und geraubte Sache
der doppelte oder neunfache Werth bezahlt werden muss, ist in dem
Cap. 45 keinesweges aufgegeben, sondern bleibt als geltend voraus-
gesetzt. Das Cap. 45 will nur bestimmen, den wie vielsten Theil
von diesen „geldi“ der Freie zu bezahlen hat, der mit Lidls zu-
sammen den Raub (Raptus) begangen hat. Der Freie soll nun
ein Wadium, d. h. einen Werth geben oder geloben; im Uebri-
gen bestehet aber die Strafbarkeit der Lidi und das Recht des
Beraubten zum Rückgriffe auf den Herrn der Lidi, um den an-
deren Werth zu erlangen, und folglich auch das Recht des Herrn,
für die Schuld seiner Lidi sein wadium zu geben, selbstverständlich
fort. Gehet man nun von der Ansicht aus, dass im Fall des Cap. 45
nach Massgabe von Cap. 26 bis 29 zwei „Geldi“ zu bezahlen
sind, so wird sich mit gutem Grunde erklären, warum der Freie,
der sich an dem Raube betheiligt hat, so viel bezahlen muss, wie
die Lidi, beziehungsweise deren Herr, zu zahlen haben: das Ver-
brechen theilt sich nämlich hier zwischen dem Freien und den
Lidis. Wollte aber bei Cap. 45 an Cap. 25 gedacht werden, wo-
nach bei „involare“ „novem geldi“ bezahlt werden sollen, so würde
sich schwerlich ein genügender Grund angeben lassen, warum der
Freie nur einen Werth zahlen soll, die Lidi und beziehungsweise
deren Herr aber alles Uebrige zu tragen hätte. Daher wird sehr
wahrscheinlich, wie auch Gaupp angedeutet hat, dass „involare“
etwas Anderes und Schwereres bedeuten muss, als der einfache Dieb-
stahl, ja sogar etwas Strafbareres als den Raub, latrocinium oder
raptus, welches erstere Wort insbesondere, wie Gaupp richtig be-
merkt, in dem chamavischen Weisthume öfters mit furtum zusam-
mengeworfen wird. Bei dem Involare ist aber nach meiner Ansicht
nur an jenen Diebstahl zu denken, der mit Einbruch und Einstei-
gen verübt wird.*) Da dieser Fall aber dem Cap. 45 offenbar nicht

*) Dass unter dem „imolare“ des chamavischen Weisthumes Cap. 24 der
mit Einbrechen und Einsteigen verübte Diebstahl verstanden werden
muss, ergibt sich daraus, dass in dem vorhergehenden Cap. 20 die Strafe für
das blosse Einbrechen in das Gehöfte eines homo Francus, wenn auch
dabei nichts gestohlen wurde, bestimmt ist; und hieran reihen sich in
Cap. 21, 22 und 23 die Strafsätze für dasselbe Delikt, wenn es an dem Ge-
höfte eines ingenuus, lidus oder servus begangen worden ist. Hierauf folgt
sodann, als Gegensatz zu den sämmtlichen voranstehenden vier Capiteln (20—23),
im Cap. 25 die Bestimmung „quidquid involavit“, d. h. wenn bei dem vor-
beschriebenen Einbrüche aber etwas wirklich gestohlen worden ist, „novem
geldos componere faciat“ Dass aber dies die richtige Erklärung ist, ergibt
sich daraus, dass die Lex Alamanorum Tit. 99. 6—18 eine lange Reihe
 
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