Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3. HEIDELBERGER 1870.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Schmelzer: Studien zur Redekunst.
(Schluss.)
Unter den guten Bemerkungen möchten wir die zu 235, d
hervorheben, dass daselbst Phaedrus ganz in die Rolle falle, welche
in der Einleitung Sokrates gespielt hatte; die Erklärung vom
έπίβχει/ν des Daemonions, welches nicht ein retinere ac deterrere,
sondern sistere bedeute, zu 242, b; dass man 244, d weniger auf
die Labdakiden und Pelopiden als auf neuere Geschlechter, die der
Entsühnung bedürften, beziehen müsse; dass 261, e dem Sokrates
τηδε δοκώ ζητούν φανεΐΰ&αι, ein Vers entschlüpft sei. In der
Erwähnung des Midas 264, d findet der Verfasser eine leise An-
spielung auf den schlechten Geschmack des Phaedrus, weleher den
Lysias eben so irrig in den Himmel erhob, wie jener den Marsyas;
hierin mag er wohl Recht haben. Den ironischen Charakter de3
Sokrates weist derselbe sorgfältig in seinen mannichfaltigen Aeusse-
rungen nach, ist nur zu sehr beflissen, überall Scherz und Hohn
zu entdecken; wie z. B. 249, c, ein Scherz in den Worten είδος,
a ποτ’ είδεν liegen soll, oder in der Etymologie des Himeros 251, e;
die Schilderung der gemeinen Liebe soll 250, e mit einer „lachen-
den Grobheit eingeführt“ werden, wo die derben Ausdrücke eben
nur die niedrige Sinnlichkeit darstellen. In 234, e nimmt Sokrates
keineswegs seinem jungen Freund den Einwurf scherzend vorweg,
dass er (Sokr.) von der rhetorischen Technik nichts verstehe, auch
das ist unrichtig, dass Lysias glaube mit dem Formalen seiner
Kunst allein genügendes geleistet zu haben, vielmehr wird er von
der Anmassung freigesprochen, zu glauben, dass der Gegenstand
von ihm erschöpft sei. Das τοντο δε κτε in 235, a geht nicht,
wie Stallbaum meint und unser Verf. mit ihm, auf das ρητορικόν;
auch ist mit Heindorf unter diesem nicht der wichtigere Theil der
Rede, welcher sententiis continetur zu verstehen, offenbar ist nur
das stylistische gemeint; mit jenem denkt Sokrates an den Inhalt,
τά δέοντα, hinsichtlich welches er dem Phaedrus blos aus Artig-
keit zugesteht, es könne lobenswerth sein; eigentlich schien ihm
aber Lysias hauptsächlich mit seiner Geschicklichkeit zu paradiren
dasselbe auf mancherlei Weise zu sagen; dies liegt in νεανιενε6-
ftai, was S. sehr ungehörig übersetzt: „wie ein Schulknabe spre-
chen“. Es galt das vielmehr immer als ein wesentlicher Bestand-
theil rednerischer Virtuosität.
LXIII. Jahrg. 1. Heft. 8
 
Annotationen