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Λ·. 23.

HEIDELBERGER

1870.


LITERATUR


Verhau (Hungen des naturhistoriscli - medizinischen
Vereins zu Heidelberg.

(Fortsetzung.)
Den letzten Vormittag benutzte ich noch zu einem Spazier-
gang. In den nächsten Gefilden unteisuchte ich die Fortschritte
der Vegetation, die Wasserleitungen, die Einrichtung der Norias.
Letztere bestehen aus einem horizontalen Rade, welches vermit-
telst eines Langbaums von einem Maulthier um eine vertikale Axe
bewegt wird und selbst wieder ein vertikales Rad treibt, um wel-
ches sich die lange Reihe von Thongefässen schlingt, die aus den
tiefen Brunnen das Wasser herausholt, um es in die Leitungen zu
entleeren. Die ganze Noria ist aus Holz gefertigt. Das Maulthier
trägt grosse aus sparto geflochtene Scheuklappen. Es sind dies
wirkliche Brunnen, nicht Cisternen und daneben finden sich stei-
nerne Bassins, welche, wenn es regnet durch Kanäle, im Sommer
dagegen durch die Noria gefüllt werden, so lange dieselbe etwas
liefert. Nur wo solche Einrichtungen getroffen sind, kann man
etwas anderes als Wein, Getraide oder Fruchtbäume kultiviren und
sie sind viel zu wenig hergestellt, namentlich fehlen aber auch in
den Gebirgen die Cisternen, durch welche z. B. Mentone allein
seine Citronenkultur ermöglicht.
In der Stadt besuchte ich vorzüglich noch einmal die Käthe*
drale. Durch ihre gewaltige Grösse imponirend beherrscht sie auf
einem über den Wall sich erhebenden Plateau die Stadt. Man
hat vor drei Jahren die Herstellung der vordem Thürme, welche
theils gar nicht gebaut, theils durch eine Erderschütterung zer-
stört worden waren, und des Hauptportals begonnen und es sind
da sehr feine Arbeiten gemacht worden, aus denen schon erhellt,
wie bedeutsam diese Vollendung für den ganzen Bau sein werde.
Diese Arbeit ist jetzt aber schon wieder eingestellt und nun wird
auch diese Kirche wieder für unabsehbare Zeit als ein unvollende-
ter und unschöner Rumpf dastehen. Das kolossale Schiff, 75 Meter
lang und 45 hoch, entstellt durch die äusseren ganz nackten,
einfach kantigen, nach einigen Abstufungen oben am Dache mit
plumpen Spitzen gekrönten Stützpfeiler, wird nun bei der geringen
Erhebung des nördlich dahinter versteckten Glockenthurms von gar
keinem Thurmprofile überragt. Was das Einzelne betrifft, so ist
das Innere frei und hoch, besonders reich aber das Portal der Süd-
seite. Im obern Felde sitzt Gott der Schöpfer mit dem Richtmass
LXIII. Jahrg. 5. Heft. 23
 
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