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Nr. 18.

HEIDELBERGER

1870.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Bar ach: Die Wissenschaft als Freiheitsthat.

(Schluss.)
Wir bleiben nur dadurch in der Freiheit, dass wir stets die
Richtung unseres durch die Freiheit bestimmten Willens festhalten.
So ist die Selbsterhaltung des Strebens nach Wissen noth-
wendig. Stets halten wir das Ziel der Freiheit fest und vergegen-
wärtigen es uns im Bewusstsein. Das hat den Menschen, wel-
che philosophiren, von jeher die grösste Verfolgung »armseli-
ger und träger Köpfe« (S. 57) zugezogen, dass jene »das Wissen
als Wissen ohne Rücksicht auf partikuläre Sympathien und Anti-
pathien als das ausschliessliche Ziel ihres Strebens festhielten«. Sie
waren »der selbstsüchtigen Menge« gegenüber »reine Organe der
Freiheit«. Wenn das Ziel des Erkenntnissstrebens sich verdunkelt,
kommen die »Zeiten der Afterweisheit, der Dunkelmänner und
Sophisten.«
Vom Zielpunkt muss man auf den einzuschlagenden Weg
schliessen. Der Weg ist durch den Zielpunkt und dieser durch
den Ausgangspunkt bedingt. Beim Streben nach Wissen kann der
Ausgangspunkt kein unbezweifelter Erkenntnisssatz sein ; sonst hät-
ten wir schon im Ausgangspunkt das Ziel anticipirt. Der Aus-
gangspunkt muss »etwas sein, das an sich selbst ungewiss, zweifel-
haft ist, aber gewiss, zweifellos werden soll«. Das thatsäch-
liche Moment ist die Zweifelhaftigkeit, das ideale Mo-
ment der Wille, das Zweifelhafte zweifellos, das Ungewisse gewiss
zu machen. Beides zusammen gibt die Aufgabe oder Frage.
Die Aufgabe ist »die Thatsächlicbkeit der Ungewissheit einer Sache,
verknüpft mit der Forderung über sie zur Gewissheit zu gelangen«.
Der Ausgangspunkt der Philosophie ist daher eine Aufgabe oder
Frage (S. 60).
Die Aufgabe will eine Lösung, die Frage eine Antwort.
Die Lösung ist das Ziel der Aufgabe. Von der Aufgabe, welche
nach der Lösung strebt, geht die analytische Methode, von
dem Grundsatz der Wissenschaft die synthetische Methode aus.
Die synthetische Methode geht vom Wissen aus, die analytische
sucht das Wissen. Die synthetische Methode muss sich darum
auf die analytische stützen. Das analytische Verfahren setzt
nichts voraus, als das Aufgaben bildende Vermögen, den Anfang
selbst, den Zweifel, die That der Freiheit. Von der That geht
der zum Wissen führende Weg, nicht vom Beweise aus. Die
Forschung, die vom Zweifel ausgeht, führt zum Ziele. Sie ist »die
LXIII. Jahrg. 4. Heft. 18
 
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