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Nr. 6.

HEIDELBERGER

1870.


Verhandlungen des naturhistorisch - medizinischen
Vereins zu Heidelberg.

Vortrag des Herrn Prof. Dr. Moos „Heber eine totale
nervöse wiedergenesene Taubheit“ am 7. Januar 1870.
(Das Manuseript wurde am gleichen Tage eingereicht.)
Der Fall betrifft ein 17jähriges bisher nie krank gewesenes
von gesunden Eltern stammendes Mädchen. Dasselbe wurde nach
einer heftigen Erkältung von acutem Gelenkrheumatismus befallen.
In der fünften Woche traten nervöse Erscheinungen auf: psy-
chische Verstimmung, ungeheuere zuerst atypisch, dann typisch
auftretende Hyperästhesien der rechten Körperhälfte, besonders in
der Lendengegend, verbunden mit Ohnmacht und leichten Convul-
sionen. Die Anfälle endeten allmälig und liessen eine sehr bedeu-
tende Hyperästhesie der Lendengegend zurück. Nach vergeblichen
therapeutischen Versuchen blieben dieselben in der siebenten Woche
gänzlich aus. Zu dieser Zeit waren auch die Gelenke frei. Aber
es kamen jetzt trophoneurotische Störungen an der rechten
Körperhälfte. Nachdem während sieben Wochen kein Nagel ge-
wachsen und selbst eine leichte Hautabschürfung, die kurz vor dem
Beginn der Krankheit entstanden, nicht geheilt war, stiess sich
die Epidermis plötzlich in grossen Lappen ab, die Nägel wuchsen
mit erstaunlicher Schnelligkeit und die kleinen Lanugohaare ent-
wickelten sieb an Arm und Bein zu langen schwarzen Haaren.
Zu Ende der siebenten Woche zeigte sich ausgebreitete Hy p e r-
ästhesie im Bereich des linken Trigeminus mit wirk-
lichen Schmerzanfällen wie in der Lendengegend, ferner unge-
heuere Empfindlichkeit gegen Geräusche gleichzeitig
mit Steigerung der Hör schärfe. Die Schmerzanfälle im
Bereich des Trigeminus dauerten neun Tage, während welcher Zeit
die Kranke immer auf der rechten Seite lag. Es entwickelte sish
jetzt Decubitus der rechten Ohrmuschel, zugleich Anästhesie der
letzteren und der benachbarten Region. In der achten Woche
stetig zunehmende Schwerhörigkeit, so dass bisEnde
der neunten jede Schallempfindung fehlte.
In der zehnten Woche Rückenschmerzen, Schmerzen im linken
Ovarium, Anschwellung in dieser Region. In der elften Woche
tetanische Anfälle mit Verlust des Bewusstseins von 2^stündiger
Dauer und Uebergang in klonische, hs Stunde dauernde Krämpfe.
LXIII. Jahrg. 2. Heft. 6
 
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