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Nr. 16.

1870.

HEIDELBERGER
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Des Quintus Horatius Flaccus Episteln und Buch von der Dicht-
kunst mit Einleitung und kritischen Bemerkungen von Otto
Bibb eck. Berlin 1869, 260 8. 8.
Q. Horatius Flaccus mit vorzugsweiser Rücksicht auf die unächten
Stellen der Gedichte, herausgegeben von K, Lehrs. Leipzig
1869. 281 S. 8.
Welch hoher Werth der kritischen Bearbeitung des Horatius
von den Herrn 0. Keller und A. Holder beizulegen ist, wurde
zwar schon vielfach anerkannt, zeigt sich aber gerade jetzt in
seiner ganzen Bedeutsamkeit, wo Bestrebungen in ganz entgegen-
gesetzter· Richtung immer entschiedener hervortreten. Zwar kritisch
nennen sich auch diese Bemühungen, ja sie nehmen sogar diese
Benennung vorzugsweise für »ich in Anspruch, aber gleichwohl ist
ihre Wirksamkeit eine ganz verschiedene. Denn während die er-
neuerte und genauere Vergleichung der besten Handschriften für
den traditional überlieferten Text eine entschiedene Bestätigung
und eine mächtige Stütze ist, wodurch die frühere Annahme, dass
der Text des Horaz zu den am wenigsten verfälschten gehört, auf’s
Neue bewahrheitet wird, glaubt die subjective Geschmackskritik
ein um so freieres Feld zu haben, weil sie consequenter Weise zu
der Annahme einer schon früher eingetretenen Corruption gedrängt
wird. Man batte nun gemeint, es wäre durch Herrn Hofman Peerl«
kamp das Mögliche in dieser Beziehung geleistet worden, beson-
ders nachdem Herr Gruppe in seinem »Minos« diese Art von
Kritik mit dem Stempel seiner Autorität besiegelt hatte. Aber
die unglückliche Aeusserung von Gottfried Hermann: »Accidit autem
litteratis hominibus, ut ea, quibus a puerili aetate assueverunt,
omni erroris suspicione exclusa, pro veris habeant. Insigne exem-
plum praebent carmina Horatii, quae omni tempore lectitata ex«
plicamus, laudamus, admiramur tanta credulitate, ut etiam ad
claram lucem caecutiamus. Coepit tarnen soporem illum excutere
vir acuti iudicii P. Hofman Peerlkamp; quamquam ille mea sen-
tentia nunc longius quam par erat nunc non eo usque, quo opor-
tebat progressus.« Dieser Ausspruch des genialen und gelehrten
Mannes, der für jede vermeinte Corruption des Aeschylos, Sophocles
und Euripides jedes Jahr eine neue Emendation in Bereitschaft
hatte, ist auf fruchtbaren Boden gefallen und muss nun der trivial-
sten Rabulisterei als Folie dienen. Allerdings bedurften die Ber-
[ liner Kritiker dieser Aufforderung nicht, denn auf dürrer Haide
wachsen, wenn auch nicht die Dichter, doch die Kritiker der
LXIU. Jahrg. 4. Heft 16
 
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