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Ausgabe des Horatius von Ribbeck u. Lehre. 263
der Rechtfertigung, so wenig als er diese Ausdrucksweise wegen
allzugrosser Annäherung an die Prosa verwerfen würde. Noch
weit unbegründeter sind die Einwendungen gegen die 7. Strophe,
welche schon wegen ihrer poetischen Schönheit jeden Zweifel hätte
zurückdräugen sollen.
Wenn auch wirklich Horaz den Gedanken ausgesprochen hätte,
dass die Römer als Sühne für die Besiegung des Jugurtha gefallen
wären, so lag eine solche Vorstellung der Vorstellungsweise des
Alterthums sehr nahe, wie der Anfang der Aeneide beweiset und
die Nachbildung bei Lucian IV, 788 ; und wenn statt der Karthager
und Hannibal, Jugurtha genannt wird, so lag eben die Schlacht
bei Thapsus der Erinnerung näher, während Salusts Werk über
den Jugurthinischen Krieg jene Zeiten so sehr in den Vordergrund
gerückt hatte. Am wenigsten begründet sind endlich die Ausstel-
lungen, welche gegen die 9. Strophe gemacht werden. Wer hier
etwas anders als eine durch das Grässliche der Begebenheiten ge-
steigerte Ausdrucksweise sieht, der befindet sich entschieden im
Irrthum. Dass Horaz in vielen seiner Oden, wo er sich weniger
seinen Gefühlen hingibt als gewissen äussern und socialen Verhält-
nissen Rechnung trägt, nicht die Tiefe und Innigkeit der Empfin-
dung an den Tag legt, wie Catull und Tibull, wird allgemein zu-
gestanden werden. Er gehörte nach seiner ganzen Stellung weni-
ger sich selbst an und sein Verhältniss zu Maecenas wie zu Au-
gustus legte ihm gewisse Verbindlichkeiten auf. Anstatt nun nach-
zuweisen wie fein und geschickt er sich dieser Pflichten entledigte
und zugleich der Selbstachtung wie den Verhältnissen Rechnung
trug, gefällt man sich darin, zu fordern, was zu begehren ganz
unstatthaft war, und zu tadeln, was man sich nicht die Mühe gibt
zu verstehen. Es ist nicht zu tadeln, wenn man sich die Freiheit
des Urtheils gegenüber der Ueberlieferung bewahrt, auch die Prü-
fung des diplomatisch Begründeten wird man Niemand verargen,
aber einem unbedingten Subjectivismus zu huldigen, ist wenigstens
eben so tadelnswerth als eine gläubige Hingabe an den geschrie-
benen Buchstaben. Die erste Forderung bleibt immer die Unter-
suchung, ob die Tradition nach allen Seiten gerechtfertigt werden
kann. Dafür ist allgemeine Kenntniss der Sprache durchaus nicht
genügend, sondern es muss das genaue und sorgfältige Studium
des besondern Schriftstellers, seiner Sprache, seiner Denkweise,
seiner Kunstform, und seines schriftstellerischen Charakters hinzu-
kommen. Besonders wenn dasselbige in so mannigfaltiger Weise
ausgeprägt ist wie bei Horaz. Die Sermonen, die Epoden, die
Briefe zeigen einen wesentlich verschiedenen Charakter von der
Sprache der Carmina. Daher hier, wo wir uns auf dem Boden
durchaus künstlerischer Production befinden, ein ganz anderer
Maassstab angelegt werden muss. In dieser Hinsicht bilden die
Horazischen Oden geradezu den entgegengesetzten Pol zu den Plau-
tinischen Comödien. Während diese, wenn gleich auch Nachbik
 
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