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Drbal: Empirische Psychologie.

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intellectuelle, ästhetische, moralische und religiöse nach ihrem Vor-
Stellungsinhalte eingetheilt.
Der dritte Abschnitt hat das Begehren und die
Freiheit zum Gegenstände. Er behandelt den Begriff und die
Bedingungen des Begehrens, die daraus hervorgehenden Folgerungen
und die Eintheilung der Begehrungen. Es werden die „sinnlichen
Begehrungen“ und die „geistigen Begierden“ unterschieden. Unter
der Rubrik der ersten sind der Trieb, Neigung, Gewohnheit, Hang,
Leidenschaft, Ursprung und Hauptphänomene, schädliche Wirkun-
gen und Beherrschungen derselben, unter der Rubrik der zweiten
Begriff und Entstehung des Wollens, seine Wirkung nach Aussen,
Handlung und That, Wirkung nach Innen, willkürliche Aufmerk-
samkeit und Reflexion, allgemeines Wollen, Maximen und praktische
Grundsätze, Gewissen und Vernunft, Ueberlegung, Besonnenheit und
Selbstbeherrschung, Freiheit dos Willens und Zurechuung und Be-
griff des Charakters entwickelt (S. 273— 328). Auch die „Begeh-
rungen“ werden natürlich vom Herbart’scben Standpunkte, wie die
Gefühle, als blosse „Zustände der Vorstellungen“ bezeich-
net. Wenn auch das Object der Begebrungen Vorstellungen sind,
so sind desshalb jene doch keine Vorstellungen. Der Herr Ver-
fasser nennt die Meinung „irrthümlich“, dass das Begehren auf einen
äussern Gegenstand gerichtet sei. Man berufe sich, sagt er S. 273,
darauf, dass der „Hungernde Brod begehre, der Durstende Wasser
und nicht die blosse Vorstellung des Brodes oder Wassers, von
welcher man gemeiniglich behaupte, dass sie weder Hunger noch
Durst zu stillen vermöge.“ „Allein bei näherer Untersuchung, fährt
er fort, zeigt sich, dass nicht das Brod von dem Hungernden, der
Trank von dem Durstenden begehrt wird, sondern nur die Empfin-
dung der Sättigung durch das Brod, resp. der Stillung des Dur-
stes durch das Wasser. Der äussere Gegenstand des Begehrens (das
Brod, das Wasser) wird nur als Mittel zur Herbeiführung eines
innern Zustandes begehrt, der also der eigentliche (wahre)
Gegenstand des Begehrens ist, auf den das Begehren geht. Denn
die äussern Gegenstände des Begehrens bleiben der Seele stets
äusserlich; sie können nicht in sie übergehen, und auch nicht von
ihr anders ergriffen werden, als durch die Vorstellungen, die sie
von ihnen gebildet bat. Es sind also nicht reale Dinge, an denen
das Begehren seine Befriedigung fände, sondern, wie gesagt, Vor-
stellungen von den äussern Dingen. Das Begehren, einen Freund zu
sehen, wird eben so gut durch eine Vision als durch seine Gegen-
wart befriedigt. Hieraus ergibt sich, dass keine Begierde mehr
erreichen kann, als eine Vorstellung ihres Gegenstandes, dass jede
Begierde befriedigt wird durch neues Gegebenwerden der Vor-
stellung ihres Objectes, welches aber freilich in der Regel nur durch
sinnliche Gegenwart desselben vollständig erreicht werden kann.“
Die von dem Herrn Verf. als irrig bezeichnete Meinung, dass das
Begehren auf einen äussern Gegenstand gehe, wenn der Hungernde
Brod, der Durstende Wasser verlange, wird wohl die richtige sein.
 
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