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Heidelberger Anzeiger: unparteiische Tageszeitung für jedermann — 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.42543#0665

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Keideköerg-Köeröach-Wosbach!
Der künftige Reichstag wird über tief einschneidende Fragen zu beschließen haben. Von den Wahlen wird es
abhängen, ob die große, für unsere deutsche Landwirthschaft und für deutsche Arbeit so viel versprechende, auf die
Grundsätze des christlichen Volkslebens gestützte konservative Wirthschafts- und Sozial-Politik des Fürsten-
Rcichskanzlers durchgesührt werden könne oder an einer liberalen Mehrheit scheitern solle.
Vor Allem handelt es sich darum, die Mittelstände, die Hauptkraft des Volkes, zu erhalten und wieder zu kräftigen;
sie sind immer mehr im Rückgang begriffen, während sich das Kapital in verhältnißmäßig wenigen Händen anhäuft. Es ist
in hohem Grade nöthig, diese Kluft, welche immer tiefer Reich und Arm zu trennen droht und für unser Vaterland schwere
Gefahren birgt, auszufüllen.
Namentlich muß dem Bauernstand und dem Kleingewerbe geholfen werden.
Eine Erhöhung des Zollschutzes landwirthschaftlicher Produkte, namentlich der Körnerfrüchte, ist nöthig
behufs Einschränkung der Spekulation, welche zu Gunsten weniger Spekulanten und zu Gunsten des Auslandes unsere ge-
summte Landwirthschaft schwer benachtheiligt. Die Landwirthe bilden die Hälfte der Nation; durch die Abnahme der
Stcuerkraft und Kaufkraft dieses wichtigsten Standes werden auch alle anderen Stände schwer beschädigt.
Darum vor Allem rufen wir Euch, Ihr Glieder des alten chrenwerthen Bauernstandes zu: Macht Euch frei von
der Bevormundung Derer, die Eure Bedürfnisse nicht kennen und nicht fördern. Wählet nur einen Mann, der klar und
unzweideutig verspricht, für einen erhöhten Zoll auf alle landwirthschaftlichen Erzeugnisse, auf Getreide,
Fleisch u. s. f. einzutreten.
So unrichtig es wäre, gegen das Kapital, die Börse oder den Handel an sich zu eifern, so muß doch das Kapital
zu einer gerechteren, d. i. stärkeren Theilnahme an den Lasten des Staats herbeigezogen und namentlich eine den
Verhältnissen angemessene prozentuale Besteuerung der Börse bewirkt werden, um die drückenden direkten Steuern (Grund-,
Häuser- und Erwerbssteuer) zu vermindern.
Wer ein Haus oder einen Acker kauft, zahlt eine Accis-Abgabe bei uns von 2^/,«/». Sie wird prozentual,
nämlich je nach Verhältuiß der Höhe des Kaufpreises berechnet, so daß Derjenige, welcher ein Haus oder eine Liegenschaft
für 100 Mk. kauft, 2 Mk. 50 Pf. zahlt, und wenn der Preis 1000 Ak. ist, 25 Mk., wenn der Preis 100,000 M. ist,
2500 M., ohne die beträchtlichen Nebenkosten. Wer aber an der Börse Wertpapiere kauft, zahlt 20 Pfennig und bei
sogenannten Spiclgeschäften eine Mark, ganz einerlei, ob er für 100 M., 1000 M. oder 100,000 M. kauft.
Ist das Gerechtigkeit? Und selbst diese so kleine Steuer mußte den liberalen Parteien von den Konservativen ab-
gerungen werden.
Die Konservativen wollen nun aber eine prozentuale Besteuerung der Börsengeschäfte, welche dem Reiche
Millionen einbringen würde. Die Liberalen wollen davon nichts wissen.
Und doch könnten hierdurch auch die Mittel gewonnen werden, die Lage der „Angestellten" der Staatsverwaltung
in einer Weise zu verbessern, welche den schweren und verantwortungsvollen Diensten dieses zu den zuverlässigsten und
treuesten Staatsbürgern gehörenden Theils der Bevölkerung in den heutigen Zeitverhältnisscn entspricht.
Der Liberalismus war es auch, der in seiner Voreingenommenheit für das Kapital seiner Zeit die Wucherfreiheit
geschaffen und so in seiner Verblendung das Volk den Wucherern ausgeliefert hat. (Salomon Kaufmann, Hirsch
HauSmann u. A.) Erst durch die ausdauernde und energische Hilfe der Konservativen war es der Rcichsrcgiernng
möglich, wieder Wucherstrafgesetze cinzuführcn, so daß man die Wucherer fassen und zur Strafe bringen kann.
Euer Kandidat muß bereit sein, nach seinen Kräften Euch vor diesen Blutsaugern zu schützen.
Ihr Handwerker habt auch erfahren, wie die Konservativen gcsonnncn sind, kräftig und nachdrücklich Eure ehrliche
nud solide Arbeit zu schützen gegen die Konkurrenz der Pfuscherei, Schwindelgeschäfte und der Magazin»-
wirthschaft und Euch zu einer festen Organisation zu verhelfen, ähnlich derjenigen, wie sie das Gesetz anderen
Ständen, z. B. dem Handelsstande längst gewährte, nämlich zur obligatorischen Innung. Die Liberalen haben da»
deutsche Handwerk durch ihre maßlose sogenannte Gewerbefreiheit an den Rand des Verderbens gebracht. Das Hand-
werk geht als selbstständiger Stand vollends unter und Ihr werdet einfache Fabrikarbeiter, wenn Ihr nicht mithelft, daß
die Liberalen im Reichstage in die Minderheit kommen.
Auch Ihr, Arbeiter, wißt, wie Ihr unter der liberalen Lehre vom „Kampf um's Dasein" zu leiden hattet;
Ihr habt erfahren, wie Ihr mit Eurer Familie im Falle der Erkrankung oder des Unfalls, der Gewerdcstockung
und des Alters dem Elende und dem Unterstützungswohnsitz-Gesetzc anheimfielet; Ihr wißt aber auch, wie die
Konservativen fest und freudig den Fürsten Bismarck in seiner sozialen Gesetzgebung unterstützen.
Sie werden eintreten für Ausdehnung des Unfallversichcrungs- und des Krankenkassengesetze» auf
weitere Arbeitcrkreise, sowie für eine gesetzliche Alters- und Jnv alide „Versorgung.
Wenn jetzt manche liberalen Herren erklären, auch für unsere Forderungen cintreten zu wollen, so ist ihnen nicht
zu trauen, denn sie thun es erst Angesichts der Wahlen. Die nationalliberale Partei hat überdies ausdrücklich erklärt,
daß sie nicht nur von ihren Grundsätzen nicht das Geringste aufgebe, sondern sich sogar der sogenannten
liberalen Gesetzgebung rühme und deren ungeschmälerte Erhaltung als ihre wichtigste Aufgabe ansehe. Ihr
werdet daher keinen Liberalen wählen!
Denkt daran, daß oft genug Fürst Bismarck in seinen Briefen an Bauernvereine und Handwerker-
Versammlungen die deutschen Bauern und Landwirthe aufforderte, sic sollen sich mit den Handwerkern und der
Industrie verbinden und solche Vertreter in den Reichstag wählen, welche entschlossen seien, deutsche Produktion
und deutsche Arbeit zu schützen und die direkten Steuern zu vermindern.
Dafür kämpfen die Konservativen seit Jahren,' während die liberalen Parteien dagegen Wider-
stand leisteten.
Wer nun mit obigen Forderungen einverstanden ist, wer auf dem Boden der kaiserlichen Botschaft vom 17. November
1883 steht, wer den Fürsten Bisnurrck unterstützen will, der wühle darum keinen Liberalen, sondern den von der konservativen
Partei als Kandidaten aufgestellten
Herrn Z. F. Menzer in Neckargemünd
Er ist ein Mann, der unter Euch ausgewachsen ist, Eure Wünsche und Bedürfnisse kennt, ein warme» Herz
für des Volkes Noch und Gedeihen hat und für alle Forderungen, die wir oben aufgestellt haben, kräftig einzutreten feierlich
und öffentlich zugesagt hat.
Keiner fehle am 28. d. M. an der Urne!


GachhruWA bW Georg Gebhardt in HMHrch.
 
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