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Hulin de Loo, Georges [Gefeierte Pers.]
Mélanges Hulin de Loo — Bruxelles [u.a.], 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.42068#0061

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MÉLANGES HULIN DE LOO

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diese Passionsszene an. Und doch ist sie von erschüt-
ternder seelischer Nahe nnd Unmittelbarkeit.
Ein langer Werdegang bat zn einem Ergebnis von
solcher Reife und Tiefe geführt. Bosch hat wiederholt
Szenen ans dem Leiden Christi dargestellt, so dass sich
mit der Moglichkeit des Yergleichs die einer Vorstellung
von dem Wege, den der Meister zurücklegte, ergibt. In
der Wiener Galerie befindet sich eine frühe Formulierung
des Themas, in der Fülle erzahlender Züge den Miniaturen
der Stunderblicher noch nahestehend. Ein Tumult kleiner
Gestalten erfüllt das Bildfeld. Wenn wir hier gleichfalls
nur einen Ausschnitt aus einem bewegten Zuge zu sehen
bekommen, so dlirfen wir dies weniger auf Rechnung einer
bestimmten künstlerischen Absicht als eines durch das
schlanke Bildfeld des Altarfliigels gegebenen âusseren
Zwanges setzen. In der Kreuztragung des Escorial wachst
die Darstellung zu monumentaler Grosse empor. Christus,
Simon von Cyrene und wenige Begleitpersonen bilden eine
geschlossene, durch statuarische Umrisse zusammenge-
fasste Gruppe. Ailes, was sie zu zerreissen droht, ist ver-
bannt. Die Klagegruppe von Maria und Johannes ist in
den Hintergrund geriickt. Die vielstimmige Erzahlung tritt
zuriick. Die Hauptfiguren sind zu denkmalhafter Grosse
gesteigert. Man denkt an Kathedralplastik. Das Leiden
Christi wird heroisiert. Das Genter Bild bedeutet in gewis-
sem Sinne eine Riickkehr zur alten Fülle. Doch auf
ganz anderer Ebene. Das sprudelnde Leben von einst ist
verschwunden. Allein die Gesichter der am Passionsdrama
Beteiligten sprechen — ihre Korper sind nebensachlich.
AVeder lebendige Erzahlung noch Heroisierung eines
geschichtlichen Ereignisses ist das Wesentliche. Ailes,
wessen das Menschengeschlecht an Hass, Gemeinheit,
Schmerz, Reue, Leiden fahig ist, erscheint zu einer Vision
verdichtet, zeitlos wie das Schicksal selbst.
Die Darstellung des Ecee homo durch Bosch lasst einen
almlichen Wandel der Auffassung verfolgen. Das frühe
 
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