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Hulin de Loo, Georges [Honoree]
Mélanges Hulin de Loo — Bruxelles [u.a.], 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.42068#0192

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MÉLANGES HULIN DE LOO

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statue) ; liber seine Schultern schaut das sehr empfundene
Gesicht Mariae, das mit halboffenem Munde unter den
Stossen des Schluchzens zittert und gleichwohl die Haltung
einer grossen Seele bewahrt. Die übrigen Figuren sind ganz
stil'l, Josef beugt sich vor, sorglich aber noch wie unschlüs-
sig, ob er zum letzten Dienste Hand anlegen soll ; im Schat-
ten hinter Johannes schaut das bartige und beturbante
Haupt des Nikodemus herein, eine Frau am linken Bild-
rande zerdriickt ihre Trânen, und ganz rechts oben
erscheint in seltsamer Unbeteiligtheit, nicht kalt aber tief
verschlossen, das schôn geschnittene Kopfchen eines
jungen Weibes, wie zu einer lebendig gewordenen Tanagra-
figur gehorig.
Seit den Engeln vom Genter Altare liât wohl kein Nie-
derlander mehr ein Bild gemalt, das so ausschliesslich aus
Figuren bestanden hatte; Andeutungen von Felsen und
Wolken-Himmel sind das einzige Zugestândnis an das Ver-
langen nach einer Schilderung der naheren Umstande :
eine erzahlerische Gesinnung, die an der sixtinischen Decke
ihr Vorbild findet.
Der Phantasierichtung der Folgezeit war diese aske-
tische, im Grunde mittelalterliche Art der Erzahlung, die
übermassig gedrungene Bildfüllung ohne Zweifel ein An-
stoss. Das Bild wurde in seiner ganzen Hohe dem rechten
Rande entlang um 12 cm, sowie oben um 28 cm verbreitert
und auf schlicht rechteckige Form gebracht ; eine gescliickte
Hand fiillte die grosse Flache der Anstlickung mit einem
nach oben drohend überhangenden Felsen und einem
triiben, melancholischen streifigen Wolkenhimmel ; rechts
im Hintergrund liess sie schemenhaft die Silhouette der
Giebel und Kuppeln Jerusalems erscheinen. In Farbtonen
und Malweise liât sie sich erstaunlich gut an die echten
Teile anzupassen verstanden; nur die Yerschiebung des
Schwerpunktes und die Spannung zwischen dem iiber-
fiillten Hauptteil und den leeren Randpartien storte das
moderne Empfinden. Hat es sich um eine der Vergrosse-
 
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