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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Utitz, Emil: Das Kunstgewerbe nach dem Kriege
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0055

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INNEN-DEKORATION

prof. max läuger —karlsruhe

»küche im haus albert«

das Ding möglichst anders ausschauen als alle anderen.
Dieses krampfhafte Bemühen verraucht so schnell wie
alle fieberhaften Rauschzustände. Baut ein starkes und
gesundes Volk an seiner Kultur, dann fügt jeder einen
Stein zum Bau, der eine einen größeren, und der andere
einen kleineren; aber alle bauen an dem gleichen Bau, auf
den gleichen Grundlagen. Denn Kultur ist nichts, was im
Wind dahintreibt wie ein Blatt oder ein Stück Papier,
sondern etwas, das aufwächst aus der geistigen und phy-
sischen Lage, aus den Bedürfnissen und Nöten einer
sozialen Gemeinschaft. Wie kann nun aber das, was ein
Volk an kunstgewerblichen Arbeiten leistet, für andere
Völker unter gewissen Umständen maßgebend werden?
Dadurch, daß sie den höheren Wert dieser Leistung an-
erkennen und diesen Wert in die Gestaltung ihres eigenen
Lebens einzubeziehen wünschen. Natürlich muß man in
die Tropen etwa andere Möbel liefern als in nordische
Gegenden, ähnlich wie man einen Festsaal und eine Arbeits-
stube anders ausstattet; aber dabei können sehr gut die
gleichen Grundprinzipien des Geschmackes und der Ge-
staltungsweise ihre Anwendung finden; es ist gleichsam
derselbe Geist, der sich nach verschiedenster Richtung
hin verschieden entfaltet, der so reich ist, all diese For-
mungen einzugehen, ohne seine Eigenart preiszugeben.
Geht diese verloren, wird das Kunstgewerbe ein nichts-
sagender Allerweltsgegenstand, der mit Kunst nichts
mehr zu schaffen hat. Wenn heute manche sagen, Deutsch-

land müsse in Geschmacksfragen so führend werden, wie
etwa in der chemischen Industrie, so müssen wir darauf
antworten: die chemische Industrie ist nur darum so
führend, weil die deutsche Wissenschaft hinter ihr steht,
weil sie letzthin nur ein Zweig jener Wissenschaft ist,
der verdorrt, wenn er vom Baum abgesägt wird. Und
dieses Rückgrat für das Kunstgewerbe ist eben die
Kunst. Kunstgewerbe als reine Geschäftssache muß
erstarren, mag auch eine noch so blendende Organisa-
tion für billige und solide Herstellung Sorge tragen.
Nur der künstlerische Entwurf kann hier die Kraft bilden,
die vorwärts treibt und die Materialien zu kostbaren Ge-
bilden formt, die unnachahmlich und in gewisser Weise
unersetzbar sind. Der Künstler kann und darf aber nicht
— soweit er Kunstgewerbler ist — still in seinem Atelier
sitzen, ein fantasievoller Träumer, der den Gestalten
seiner Welt Ausdruck leiht, sondern durch den prak-
tischen Betrieb hindurch, an den er in seinem Schaffen
gebunden ist, hineinhören in die wirkliche Welt, was
diese bewegt, wünscht und will. dr. emil utitz-rostock.

*

T^Vie Seele des Künstlers selbst muß schön sein; denn
in ihr ist das ewige Urbild, das er nicht schaffen kann
und das Werk, das er mit Fleiß und Besonnenheit im ver-
gänglichen Stoffe hervorbringt, eins und dasselbe.....

Erst in ihren ewigen Geschöpfen erkennt die Künstler-
seele die eigene Vollkommenheit und Ewigkeit, solger.

1917. l/1l 4.
 
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