Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

DOI Artikel:
Schwindt, Adolf Metus: Arbeiten von Karl Pullich, Stuttgart
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0077

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNEN-DEKORATION

53

ARBEITEN VON KARL PULLICH-STUTTGART

Wir leben im Zeitalter des Individualismus. Jeder
ist bestrebt sein Wesen, seine Persönlichkeit
auszudrücken, sich selbst darzustellen in seinen Werken.
In diesem Konzert der verschiedensten Stimmen, die sich
stets mit Hartnäckigkeit durchzusetzen versuchen, wird
der Einzelne, der nicht in gleichem Maß miteinzustimmen
vermag, leicht übersehen. In unserer Zeit des Plakates,
der Sensationen, der leidenschaftlich erregten Wirkungen
geht man zu leicht an einem ruhigen, gediegenen Schaffen
vorüber. — Karl Pullich ist aller Aufdringlichkeit ab-
hold. Mit Sachlichkeit und Ernst geht er an jede Auf-
gabe heran, und sucht mit feinabgetönter Farbigkeit,
unter Ausnützung edler Formen und besten Materials
seine Ziele zu erreichen. Strenge Aufteilung großer Flä-
chen paart sich mit einem empfindlichen Gefühl für die
Wertigkeit schmückender Glieder im Detail und schließt
sich stets zu einem ruhig-vornehmen, geschmackvollen
Gesamteindruck. — Daß ihm dabei liebenswürdige Leich-
tigkeit im Erfinden neuer Formen nicht abgeht, zeigt sein
»Kinderzimmer« mit der Verwendung der ringsumlau-
fenden Tafeln, die ein Bemalen der Wände seitens der
kleinen Einwohner erlauben, mit dem eingebauten »Stall«
für das stolze Schaukelpferd und die übrigen Herrlich-
keiten. Das kindlich Märchenhafte scheint dem Künstler
überhaupt zu liegen, hat er doch auch feinempfundene
Märchenbilder geschaffen, die eine ähnlich glücklich-hei-
tere Stimmung atmen, wie dieses Zimmer. Helle Freund-
lichkeit herrscht auch im »Empfangszimmer«, das ganz
auf den festlichen Zusammenklang von Weiß und Gold

mit Rot gestellt ist.......a. m schwindt-darmstadt.

*

Es ist Geschmacksache!« Dieser Ausspruch ist be-
gleitet von dem bekannten Achselzucken, hochge-
zogenen Augenbrauen und der unüberwindlichen Über-

zeugung Wahrheit ergründet zu haben. Wer verzichtet
gern auf den Glauben, schon in der Wiege mit gutem
Geschmack gesegnet gewesen zu sein? Mit größerer
Reife schwindet diese allzu feste Überzeugung, wir stellen
unser Urteil ein, schließen den Mund, gestikulieren und
behaupten weniger im Jahrmarkt der Meinungsverschie-
denheiten. Um zu gesunden, geht man an seine Arbeit,
nicht um Kunst zu machen, sondern um zu arbeiten der
Arbeit wegen. So wird der Künstler und auch der Laie
zu dem guten Geschmack erzogen — zuerst in Sachen
des Lebens — zum gutem Geschmack, der nach dem
Urteil der »Kenner« soviel Verschiedenheit haben soll;
ist dann genügend ethische und ästhetische Empfindung
in der Seele, so wird das Tun schon allein Kunst. Das
unruhige Sehnen und Streben nach einem Stil, einem neuen
Stil, einem nationalen Stil, einem eigenen Stil — welch
letzterer nur zu oft die Hauptsache ist, führt zu keinem
dauernden Ergebnis und ist im höchsten Grade stillos.
Stil wurde nie erfunden — finden wir uns also damit ab.
Haben wir einen reichen Geist, geschickte Hände und
reiche Ideen, so ist die Gefahr am größten. Wir können
uns dann nur schwer versagen, unsere Eigenart und Ge-
schicklichkeit auf Papier zu bringen — und mit unseren
Erzeugnissen stolz die Wände unserer Räume auszu-
schmücken. Aber wo bleibt da der Stil — die Wohn-
kultur. Die Kultur überhaupt ? —

Das größte Hindernis im Wege einer gesunden Innen-
kunst ist, daß man sie zu sehr als »Kunst« betrachtet und
zu wenig als selbstverständliches Ergebnis einer kulti-
vierten Lebens- und Denkweise. Die Stilfrage der
Wohnungskunst wird nur dann gelöst werden, wenn der
Geschmack des Einzelnen durch Übung einer einfachen
Lebenskunst erzogen ist, — wenn Architekten hierin
mit gutem Beispiel vorangehen....... karl pullich.
 
Annotationen