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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Bredt, Ernst Wilhelm: Wie Frankreichs Kunstgewerbe führend wurde: eine zeitgemässe Lehre für uns
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0095

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INNEN-DEKORATION

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dende Zeit für Theorien des Schönen in den »freien«
Künsten eingenommen war, so praktisch ging sie vor in
der Vereinheitlichung der kunstgewerblichen Schulung
und Ausführung. — Ist ähnliches heute möglich? Es ist
möglich! Unsere Kunst-Schulen bewegen sich alle in der
Richtung zur Werkstatt-Schule. Schon warnt man freilich
mit Recht, die Schule möchte nicht nur zur Werkstatt wer-
den, sonst bliebe der Werkstatt nur noch die theoretische
Schulung übrig. — Werden aber in den größten Orten
Zentralstätten ins Leben gerufen, so können sich diese ohne
weiteres zu Hochschulen kunstgewerblicher Bildung ent-
wickeln. Im übrigen ist es selbstverständlich, daß wir in
Deutschland nicht alles ausschließlich in Berlin zentralisie-
ren. Unserer deutschen Art widerspricht Zentralisation
ohne Dezentralisation. Unsere bewährten Fachschulen, die
an lokal gepflegte Gewerke anknüpfen, gehen einen sehr
guten Weg. — Möglich, ja zweckmäßig wäre sicher die
Bildung von einigen solchen Zentral Werkstätten desStaates.

Wer hierzu erwidert, daß doch z. B. die königlichen
Porzellanfabriken und andere als Wirtschafts- und Han-
delsunternehmungen schon deshalb einen schweren Stand
hatten, weil sie gleichzeitig geschmacklich mustergültig

wirken sollen — bedenkt nicht genug, daß allein die großen
staatlichen Eisenbahndirektionen, die Schiffswerften, die
Ministerien des Kultus usw. bisher schon außerordentlich
viel kunstgewerbliche, architektonische und andere Kräfte
in einheitlichen Dienst zu stellen wußten. — Der Gedanke
der Bildung kunstgewerblicher staatlicher Werkstätten
ist somit nicht durchaus neu, er ist halb verwirklicht —
er bedarf nur der Vereinheitlichung aller Kräfte unter
eine Stelle oder Person in den Einzelstaaten des Reiches.

Die Geschichte jener für Frankreichs künstlerisches
und wirtschaftliches Ansehen so entscheidenden Zeit
zeigt jedoch auch die Kehrseite einer herrlichen Medaille.
Das ist die Unterdrückung geradezu genialer künstlerischer
Persönlichkeiten. Sie standen abseits.

Das ist die Gefahr, die ich fürchte. Doch auch hier
wird die Wohlfahrt und das Weltansehen Deutschlands
zum höchsten Gesetz. — Andererseits möchten alle jene,
die jetzt so streng jede »andere« Kunst und Form be-
kämpfen, sollten alle, die glauben, man könne »Ge-
schmack« mit Geschmacks-Stempeln in alle Welt tragen,
sich in jene Zeit vertiefen, an die ich hier mit ihren Vor-
zügen und ihren Mängeln erinnere, e. w.bredt- München.
 
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