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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Renatus, Kuno: Die Antiquarische Mode
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0124

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104

INNEN-DEKORATION

ENTWURF: ARCHITEKT RUDOLF JACOBS—BREMEN. DAS PARKHAUS AM HOLLERSEE. »FENSTERPARTIE AUS DEM WEINRESTAURANT«

DIE ANTIQUARISCHE MODE

Wer sich gelegentlich etwas mit den Verhältnissen
auf dem Antiquitätenmarkt befaßt, der wird be-
stätigen, daß in den letzten Jahren, und gerade noch
während des Krieges, die alten Einrichtungs- und Deko-
rationsgegenstände eine außerordentliche Preissteigerung
erfahren haben. Und zwar nicht nur die Raritäten von
ausgesprochenem Seltenheits- und Liebhaberwert, auf
die sich naturgemäß das Investierungsbedürfnis der Kriegs-
gewinnler ebenso stürzt, wie auf Glaspalastbilder und
Brillanten. Sondern gerade auch die Möbel usw. von
guter Durchschnittlichkeit, die keine außerordentlichen
Seltenheiten repräsentieren, sondern zur Benutzung im
täglichen Gebrauch tauglich sind. Diese Preissteigerung
ist durch die eingetretene Wertminderung des Geldes
nicht ausschließlich zu erklären. Man muß eine stärkere
Nachfrage nach Antiquitäten konstatieren. Diese hat
verschiedene Ursachen. Einige größere Aufträge bean-
spruchten den Markt; einige Objekte (darunter z. B. ein
Sanatorium) sind ausschließlich mit alten Möbeln ein-
gerichtet worden. Vor allem scheint die Vorliebe für
alte Sachen in immer weitere Kreise zu dringen, die früher
diesen Dingen ohne Interesse gegenüberstanden. Allein
die Antiquitätenabteilung bei Wertheim konsumiert all-
jährlich ein erhebliches Kontingent von alten Möbeln, die

in festen Besitz übergehen und dem Markt entzogen
werden. Dazu kommt anscheinend ein immer stärkerer
Export nach dem Ausland, insbesondere nach Amerika.

Was besagt nun diese stärkere Nachfrage nach alten
Möbeln und Dekorationsgegenständen? Ist sie nicht viel-
leicht ein Zeichen, daß das Interesse für das moderne
Kunstgewerbe nachzulassen beginnt und daß der Ge-
schmack ganz langsam wieder mehr nach der Seite der
»historischen Stile« hinüberneigt?

Die moderne Bewegung hat sich ja in der Tat seiner
Zeit konstituiert im ausgesprochenen Gegensatz zu einem
akademischen Historismus. Um zunächst einmal Raum
zu eigener Bewegung zu gewinnen, um die Möglichkeit
zu haben, selbst Erfahrungen zu sammeln und auch Irr-
tümer zu begehen, mußte sie alle einengende Formvor-
schrift über Bord werfen. Aus dieser Entstehungszeit
her schreibt sich der Antagonismus »historisch oder
modern«, welcher weit im Bewußtsein der Allgemeinheit
verbreitet ist. »Arbeiten Sie vorwiegend historisch oder
modern?« pflegt heute der Möbelfabrikant den jungen
Architekten zu fragen, der seine Entwürfe vorlegen will.
Oder ein ganz gewitzigter Innendekorateur meint seine
Kundschaft wohl besonders gut zu beraten, wenn er vor-
schlägt: »Die Schlafzimmer modern, die Wohnzimmer
 
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