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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Renatus, Kuno: Die Antiquarische Mode
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0128

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INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT RUD. JACOBS-BREMEN

»TEEZIMMER IN KIRSCHBAUMHOLZ«

lieber historisch.« Aber gerade daß diese Alternative jetzt
bei den angedeuteten Bevölkerungskreisen angelangtist und
in derem geistigen Besitz figuriert, scheint uns ein Symp-
tom, daß sie auf dem Punkte ist, überwunden zu werden.

Jene ursprüngliche Wendung gegen die historischen
Stile galt ja nicht den alten überkommenen Arbeiten als
solchen, sondern sie galt einem mißverstandenen Histo-
rismus, welcher von den alten Arbeiten nur das äußere
Dekor, die »Schmuckformen«, ablas und sie nun als
billige Schablone, mit der überladenden Freigebigkeit
dessen, dem die Formen kein Gefühl kosten, überallhin
aufklebte. Gegenüber dieser Schmückerei kam es darauf
an, das architektonische Grundereignis wiederaufzu-
decken, welches in jedem Tisch, in jedem Stuhl, in jedem
Gefäß anwesend sein muß, wenn es ein lebendiger Tisch,
lebendiger Stuhl, lebendiges Gefäß und kein gedanken-
loses Instrument sein soll. Hierzu mußte allem Schmücken
vorübergehend abgeschworen werden. Nachdem für das
elementare Formereignis ein Gefühl wiedergewonnen
war, konnte man sich auch wieder mit mehr Beweglich-
keit und Spielerischkeit auf das Schmücken und Deko-
rieren einlassen und dabei, je nach Belieben, wieder An-
regung bei den historischen Vorbildern suchen. Es ging
allerdings auch — es soll nicht geleugnet werden — eine
radikale Strömung nebenher, welche meinte, wir seien
ein technisches Zeitalter, und mit dem Schmücken und
Ornamentieren sei es endgültig vorbei, und um unserer

Zeit den richtigen künstlerischen Ausdruck zu geben,
müßten wir bei den Arbeiten des Ingenieurs, bei Eiffelturm
und Torpedobot die vorbildliche Linie suchen. Uber
solchen theoriegeborenen Radikalismus ist die Zeit längst
hinweggeschritten. Viele unserer führenden Architekten
haben ihre Anknüpfung zu der Vergangenheit wieder
genommen, und wie befruchtend namentlich die Zeit
»um 1800« auf unsere gegenwärtige Produktion gewirkt
hat, braucht nicht erwähnt zu werden.

So ist die Alternative »historisch-modern« eine rich-
tige Vordergrundsansicht, eine Orientierung, welche
Gegensätze verabsolutiert, die ganz relativ sind und das
Schicksal haben, überwunden zu werden. Denn was
jene Fabrikantenweisheit meint, wenn sie den »modernen
Stil« als einen besonderen »Stil« aufstellt, den sie den
historischen Stilen entgegensetzt, das sind die letzten
Ausläufer eines übertriebenen Zweckstils, eines recht-
winkligen Klubsessel- und Schlafzimmerstiles mit starker
Unterstreichung von Komfort und Hygiene, mit viel Glas
und messingenen Wasserkrahnen, jene Überbetonung
einer phantasie- und lieblosen Zwecknüchternheit, wie
sie jetzt ungefähr in den Entwurfsbüros der Möbelfabriken
angelangt ist. Von solchen Erzeugnissen pflegen sich
allerdings alle alten Arbeiten, wenn man sie daneben
stellt, stark und mit sichtlichem Widerstreben abzulösen.

Eine hochsinnige und idealistische Architektur und
Dekorationskunst braucht eine Zuwendung des Interesses
 
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