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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Renatus, Kuno: Die Antiquarische Mode
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0129

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INNEN-DEKORATION

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zu alten Dingen nicht zu scheuen oder als »Konkurrenz«
zu empfinden. Die wesentlichen Dinge sind überall
dieselben: je mehr das Publikum für die hohen Quali-
täten, welche die alten handwerklichen Erzeugnisse nun
einmal auszeichnen, ein wirkliches Unterscheidungsver-
mögen bekommt, umsomehr wird es sie auch an mo-
dernen Arbeiten schätzen lernen. Denn was wir in den
letzten Jahrzehnten langsam uns erworben haben: die
sinngerechte Verwendung des Materials, die Anpassung
an den Gebrauchszweck — das sind ja keine funkel-
nagelneuen Errungenschaften, es sind nur Wiederent-
deckungen von Forderungen, die in den alten Arbeiten
längst verwirklicht waren, mit der viel größeren Unab-
sichtlichkeit vorgetragen, die die Unbewußtheit aus-
zeichnet. Darüber hinaus enthalten allerdings die alten
Arbeiten noch viel mehr, was den modernen abgeht: daß
sie in einer konventionellen Formsprache abgefaßt sind,
die dem Werkkünstler der betreffenden Stilperiode mühe-
los und fraglos zu Gebote stand. Daß die alten Arbeiten
1I» einer solchen allgemeinen Stilsprache konzipiert sind,
die den einzelnen Künstler zur höchsten Originalität der
Einfälle zu befruchten vermochte, während in unserer
«it ein jeder Künstler auf sein eigenes Formgestammel
angewiesen ist — das kann die moderne Architektur
wohl in manchen Augenblicken neidisch machen, aber sie
wird darum die alten Arbeiten noch lange nicht als
Antagonisten gegen ihre »modernen« Arbeiten empfinden.

Die Situation ist hier eine ganz ähnliche wie in der Malerei.
Die Bewegung der neunziger Jahre, Impressionismus und
Naturalismus, hatten sich ebenfalls mit tendenziöser
Gegenwendung als »Moderne« konstituiert. Die neue
idealistische Malerei stellt die Kontinuität wieder her,
indem sie die Arbeiten der Vergangenheit bei ihren form-
bildenden, abstrakten Elementen aufsucht. So schlägt
sie die Brücke über die Jahrhunderte hinweg bis zu den
Uranfängen der Kunst. Entscheidend ist ihr immer das
Formgebende, was im Grunde überall Dasselbe ist; was
aus der Kontinuität herausfällt, was als leer erscheint, ist
die blutleere, formverlassene Zeit des neunzehnten Jahr-
hunderts. Ganz ebenso ist eine idealistische Architektur
zu fordern, welche über die leere Zeit des neunzehnten
Jahrhunderts die Brücke schlägt zu den Werken der Ver-
gangenheit und die verwirrende Vielheit der historischen
»Stilarten« dadurch überwindet, daß sie jede Arbeit
lediglich auf die Intensität formbildender, architektoni-
scher Kraft hin betrachtet. Von solcher Position aus
verschwindet dann der Gegensatz von historisch und
modern von selbst.

Von solcher Position aus betrachten wir die antiqua-
rische Mode ohne jede Besorgnis, als wenn durch sie der
modernen Produktion irgend ein Abbruch geschähe.
Wenn man sie wirklich als Sympton nehmen dürfte, daß
für die falsche Gesinnung der »Neuzeitlichkeit«, der
Modernität die Stunde nahe, so sollte sie uns im höchsten
 
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