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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Vogt, Adolf: Ketzereien über Raumkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0450

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INNEN-DEKORATION

PROF. JOSEF HOFFMANN—WIEN VORZIMMER. WEISSE HOLZVERKLEIDUNG

Der Saal mit seinen weiten Maßen und der hallenden
Akustik verführt manche dazu, Reden zu halten, die Stimme
zu verstärken und die Gestalt natürlich aufzurichten. An-
dere dagegen fühlen sich von der Saalumgebung bedrückt,
abgelenkt. Ihr Element ist vielmehr der kleine, intime
Raum, das Zimmer. Da gehen sie aus sich heraus, ihre
gedämpfte Stimme findet die rechte Resonanz, sie leben
auf, ihr Geist erwacht. Zwischen den Möbeln des kleinen
Raumes erscheint auch der Kleingewachsene durchaus
nicht zwerghaft, er spielt nicht dieselbe unglückliche Rolle
wie im Saal, wo er gegenüber der Höhe, der Weiträumig-
keit allzu sehr auffällt.

Sodann gibt es Menschen — und zwar unter beiden
Geschlechtern — von einer gewissen, sagen wir dekora-
tiven Erscheinung, die man sich eigentlich nur zusammen
mit einer dekorativen Umgebung denken kann. Sie

müssen eine moderne Tapete als Hintergrund haben und
zu Füßen einen bunten Teppich. Diese fühlen sich natür-
lich in einem der modernen Kaffeehäuser, in einer Bar,
einer »Diele« äußerst wohl. Da gehen sie als Ornament
in dem ganzen System des Raumschmucks auf, und sie
sind befriedigt, wenn sie solche stilechte dekorative Rolle
mimen dürfen. Die Geste bedeutet da mehr als der Ge-
danke, der Teint, die Gesichtsfarbe, der Schwung der
Brauen, das Rot der Lippen mehr als der seelische Aus-
druck. Der Charakterkopf aber, der Geistreiche verliert
in solcher Umgebung kolossal, wo nur die Linie und der
»Ton« gewertet wird. Die Geistesarbeiter werden eher
einen Raum aufsuchen, der von dem Charakter ihrer Stu-
dierräume und Zeichenstuben nicht allzusehr absticht.

Hier stoßen wir auf Grenzen der Raumkunst. Der
»schöne Raum« ist leicht zu schön mit Rücksicht auf die
 
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