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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Heckel, Karl: Meisterschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0452

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430

INNEN-DEKORATIÖN

friedmann & weber-berlin

zweifarbige korbmöbel

MEISTERSCHAFT

Das Wort Meister ist aus dem lateinischen Magister
entstanden, wobei der Dialekt die Betonung auf die
erste Silbe verlegte. Es verdankt seine Verbreitung der
Kirche und den höfischen Kreisen. Seine Anwendung
auf Kunst und Handwerk trat erst später hinzu. Wir
begegnen ihr bei Luther, wenn er schreibt: » . . . des-
gleichen gehts in allen andern Künsten, ja in allen Hand-
werken, daß die rechten Meister müssen solche Hümpler
und Sudler leiden«. — Der heutige Sprachgebrauch
scheint auf den ersten Blick Meisterschaft, wenn von
einem Künstler die Rede ist, nur als Ausdruck gestei-
gerter Achtung von Begabung und Leistung zu ver-
wenden. Aber bei näherer Prüfung erkennen wir bald,
daß sich damit doch ein ganz bestimmter Hauptbegriff
verbindet. Niemand wird einen jungen genial veranlagten,
aber noch unreifen Menschen einen Meister nennen und
ebensowenig einen reifen Künstler, den er als Meister
verehrt, deshalb auch als Genie bezeichnen dürfen. Genie
weist immer auf Intuition und ursprüngliche undefinierbare
Veranlagung hin, während die Meisterschaft eine erwor-
bene Fertigkeit bezeichnet, die jede Willkürlichkeit und
Sprunghaftigkeit ausschließt. Vom Meister heißt es im
vollkommenen Gegensatz zum Genie: »Kein Meister fiel
vom Himmel«. — Sehr treffend gibt Hans Sachs bei

Richard Wagner die Antwort auf die Frage: »Ein schönes
Lied, ein Meisterlied, wie faß ich da den Unterschied?«
Das schöne Lied, das möge auch unbelehrten und uner-
fahrenen Sängern gelingen. »Der Lenz der sang für sie«.
Aber nur jene, die auch im störenden Drang des Lebens
und seiner Ereignisse und Geschäfte die Fähigkeit be-
wahren, ein schönes Lied zu singen: »Meister nennt man
die«. — Das Wort bedeutet, als Ehrentitel, die sichere
Beherrschung der handwerklichen Seite der Kunst. Wohl-
gemerkt die handwerkliche Beherrschung, nicht die virtuose
Anwendung der Technik als solcher. Aber auch die Vor-
stellung der beruflichen selbständigen Betätigung in lei-
tender Stellung, im Gegensatz zum Dilettanten, Schüler
und Gehilfen, bleibt damit verbunden, und weiterhin, dem
Ursprung aus dem Wort Magister entsprechend, der Hin-
blick auf die Belehrung anderer zum mindestens als Vorbild.

Es ist unsere Pflicht, solche Umkreisungen eines Be-
griffs zu achten und zu bewahren gegenüber dem leider
immermehrum sich greif enden euphemistischenMißbrauch.
Denn jede Verwischung eines Wortgepräges und jeder
grobe Verzicht auf die feinen Unterscheidungen führt zu
einer Verflachung der Sprache. Ehre, wem Ehre gebührt.
Aber nicht an falschem Ort und nicht durch den Miß-
brauch eines scharf umrissenen Wortes. . . karlheckel.
 
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