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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 41.1930

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Zum einundvierzigsten Jahrgang
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https://doi.org/10.11588/diglit.10703#0011

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ZUM EINUNDVIERZIGSTEN JAHRGANG

Die Arbeit an der neuen Wohnform geht trot> der gefpannten Wirtschaftslage
rüftig ihren Gang. Gerade in jüngfter Zeit ift der private Wohnbau mit
zahlreichen bemerkenswerten Löfungen hervorgetreten, in denen mit Erfolg eine
zeitgemäße Geftaltung angeftrebt wurde. Namentlich aber hat die ausgedehnte
Siedlungs-Bautätigkeit wesentliches dazu beigetragen, neue Gedanken in der
Praxis zu klären und weiterzubilden.

Es hat (ich zugleich klarer heraus geflieht, daß es lieh bei diefer zeitgemäßen
Wohnform nicht nur um eine Löfungsweife von Einzel-Aufgaben handelt, fon-
dern um eine neue Lebensform, die im Werden ift; vielleicht fogar um einen
neuen Menfchen, der ein unmittelbareres Dafein lebt, der lieh mehr in der
Bewegtheit darftellt als in der Behauptung eines ftarren Schau- und Ruhepunktes.



Der neue Wohnraum gibt die Richtung diefer fehr weittragenden Verände-
rung dadurch an, daß er aus einem bloß auf »Schau« berechneten Gebilde zu
einem Gefüge geworden ift, das vor allem die wirkliche Leiftung von fich ver-
langt und daher einen neuen Begriff von Lebensdichte mit fich führt. Der neue
Wohnraum will fich nicht mehr auf einen felbftändigen, äfthetifchen Effekt hin
geftalten, fondern er will feine Form — eine reife, klare und tadellofe Form —
aus der tatfächlichen Lebens-Ordnung des modernen Menfchen gewin-
nen. Er hat felbft ein neues, dichteres Sein gewonnen. Er hat fich die uralte
Frage: »Wie kann vollwertige und rechtmäßige Form entftehen?« von
neuem vorgelegt und ift zu der Antwort gekommen: nicht aus abgelöfter äfthe-
tilcher Zielsetzung, fondern nur aus echtem, erfüllten Leben und Sein. Er will
wieder — man erinnert fich des vor jähren gefallenen Wortes — »Fundamente
fehen«. Er ift durchaus nicht gleichgültig gegen die fchöne Form, aber er hat eine
neue, gerechtere Einficht in ihre Entftehung. Er weiß: nur im Bunde mit der
Wahrheit kann Form leben und gedeihen. Dringt der neue Wohnraum auf
Wahrheit, auf Leiftung, auf volle Dienftfertigkeit der Dinge, Möbel und Geräte,
fo legt er gerade dadurch die tragfähigen Grundlagen zu neuer Geftaltung.

Der im Anfang vielfach verbreitete Irrtum, diefe neue Geftaltung müffe zu
einer heillofen Vernüchterung und Verödung unlerer Wohnräume führen, ift durch
die Praxis längft widerlegt. Der neue Wohnraum (einfchließlich immer des neuen
Wohnhaufes) hat fich durchaus fähig erwiefen, Wirkungen anziehendfter Wohn-
 
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