Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 41.1930
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Michel, Wilhelm: Methodische Wohnkunde
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INNEN-DEKORATION
RUTH HILDEGARD GEYER-RAACK —BERLIN »GARDINEN IM SCHLAFZIMMER«. VOILE. 8 TÖNE
METHODISCHE WOHNKUNDE
Ahnungen werden zu Einsichten, Komplexe von
l\ Intuition, Beobachtung und Empfindung wer-
den von der Vernunft zerlegt und der wachen
Erkenntnis zugänglich gemacht: — das ist der
Weg, den der menschliche Geist seit Anfang geht.
Es liegt auf dieser Linie, wenn sich heute im
Bereich des Innen-Ausbaus, in dem bisher das
Belieben des Bauherrn, die Eingebungen und das
persönliche Talent des Architekten herrschten,
eine »Raumwissenschaft« gestalten will. Seit
Goethe weiß man Bedeutsames über die Wir-
kung der »Farbe« im Raum. Über die Wirkungen
von Raumhöhe und Raumweite, über die Kraft
bestimmter Linienführungen und Licht-Einfälle,
über den Sinn gewisser Raumfolgen hat sich die
Menschheit von jeher Rechenschaft gegeben.
Eine unerhörte Fülle von Erfahrung hat sich im
Verkehr des Menschen mit seinen Wohnräumen
aufgehäuft, aber die Aufgabe der systema-
tischen Verwertung all dieser Einzel-Erkennt-
nisse, der Ergänzung durch die Mittel der exak-
ten Forschung bleibt noch zu lösen. . Heute
wird bemerkt, daß es auf diesem Felde so und so
vieles zu wissen gibt, daß dieses Wissen fest-
stellbar und mitteilbar ist, und vor allem: daß es mit
den Methoden moderner Forschung noch außer-
ordentlich weit ausgebaut werden kann. So gehört
die Raumwissenschaft zu der allgemeinen moder-
nen Tendenz, der Ratio neues Feld zu gewinnen.
Es ist ohne Zweifel richtig, daß bei aller Ge-
staltung, also auch bei der Raumgestaltung, die
tieferen, die nicht-rationalen, die schöpferischen
Kräfte stets das letzte Wort haben werden. Die
geniale Leistung wird in allem menschlichen Tun
immer ihren Vorrang vor dem bloßen tüchtigen
Handwerk behaupten. Aber das darf nicht hin-
dern, daß wir überall danach streben müssen, die
Arbeit der mittleren wie der höheren Begabungen
mit soviel Wissen als möglich zu unter-
bauen, damit das gesamte Niveau sich hebe und
alle Sicherungen gegen vermeidbare Zweckver-
fehlungen errichtet werden. . Das Anfangs-Mate-
rial zu einer modernen »Raumwissenschaft« liegt
heute vor. Es liegt weiter vor die geistige Bereit-
schaft, auch auf diesem Gebiet das Erkennbare
zu erkennen, das Wißbare entgegenzunehmen. .
INNEN-DEKORATION
RUTH HILDEGARD GEYER-RAACK —BERLIN »GARDINEN IM SCHLAFZIMMER«. VOILE. 8 TÖNE
METHODISCHE WOHNKUNDE
Ahnungen werden zu Einsichten, Komplexe von
l\ Intuition, Beobachtung und Empfindung wer-
den von der Vernunft zerlegt und der wachen
Erkenntnis zugänglich gemacht: — das ist der
Weg, den der menschliche Geist seit Anfang geht.
Es liegt auf dieser Linie, wenn sich heute im
Bereich des Innen-Ausbaus, in dem bisher das
Belieben des Bauherrn, die Eingebungen und das
persönliche Talent des Architekten herrschten,
eine »Raumwissenschaft« gestalten will. Seit
Goethe weiß man Bedeutsames über die Wir-
kung der »Farbe« im Raum. Über die Wirkungen
von Raumhöhe und Raumweite, über die Kraft
bestimmter Linienführungen und Licht-Einfälle,
über den Sinn gewisser Raumfolgen hat sich die
Menschheit von jeher Rechenschaft gegeben.
Eine unerhörte Fülle von Erfahrung hat sich im
Verkehr des Menschen mit seinen Wohnräumen
aufgehäuft, aber die Aufgabe der systema-
tischen Verwertung all dieser Einzel-Erkennt-
nisse, der Ergänzung durch die Mittel der exak-
ten Forschung bleibt noch zu lösen. . Heute
wird bemerkt, daß es auf diesem Felde so und so
vieles zu wissen gibt, daß dieses Wissen fest-
stellbar und mitteilbar ist, und vor allem: daß es mit
den Methoden moderner Forschung noch außer-
ordentlich weit ausgebaut werden kann. So gehört
die Raumwissenschaft zu der allgemeinen moder-
nen Tendenz, der Ratio neues Feld zu gewinnen.
Es ist ohne Zweifel richtig, daß bei aller Ge-
staltung, also auch bei der Raumgestaltung, die
tieferen, die nicht-rationalen, die schöpferischen
Kräfte stets das letzte Wort haben werden. Die
geniale Leistung wird in allem menschlichen Tun
immer ihren Vorrang vor dem bloßen tüchtigen
Handwerk behaupten. Aber das darf nicht hin-
dern, daß wir überall danach streben müssen, die
Arbeit der mittleren wie der höheren Begabungen
mit soviel Wissen als möglich zu unter-
bauen, damit das gesamte Niveau sich hebe und
alle Sicherungen gegen vermeidbare Zweckver-
fehlungen errichtet werden. . Das Anfangs-Mate-
rial zu einer modernen »Raumwissenschaft« liegt
heute vor. Es liegt weiter vor die geistige Bereit-
schaft, auch auf diesem Gebiet das Erkennbare
zu erkennen, das Wißbare entgegenzunehmen. .